MIT Technology Review 2/2017
S. 69
TR Mondo

ÖSTERREICH

Wind von der Alm

Der Bau des Windparks in 1600 Metern Höhe. Foto: Grant Thomson/ ÖBf-Archiv

Hoch in den Alpen weht oft ein heftiger Wind. Die Herausforderungen für die Windfarmen sind enorm. Doch die Mühe habe sich gelohnt, sagt Maximilian Hoyos, Fachmann für erneuerbare Energien bei der Österreichische Bundesforste AG, die in der Steiermark in 1600 Metern Höhe „Pretul“ errichtet hat: „Das ist wahrscheinlich einer der windreichsten Standorte im Land.“

Noch bevor das erste Windrad gebaut wurde, bewerteten Spezialisten die Windverhältnisse. Dazu stellten sie einen 80 Meter hohen Messmast auf. Außerdem analysierte ein Lasermesssystem an drei Orten die Luft. Vor allem Turbulenzen waren von Interesse. „Die entstehen zusätzlich wegen der Komplexität des Geländes“, sagt Po Wen Cheng, Windenergieforscher an der Universität Stuttgart.

Mit steigender Höhe sinkt zwar die Luftdichte, was sich negativ auf die Stromernte auswirkt. Dafür ist die Windgeschwindigkeit in den Bergen meist höher. In Spitzen bläst der Wind auf der Pretulalpe mit 30 Metern pro Sekunde, was Windstärke 11 entspricht – orkanartigem Sturm. Damit war klar, dass spezielle Starkwindanlagen zum Einsatz kommen würden. Die brauchen weder hohe Türme noch lange Flügel, sondern müssen in erster Linie stabil sein. Die Wahl fiel auf die „E-82 E4“ des Auricher Herstellers Enercon.

Die Stromernte der Ende 2016 ans Netz gegangenen Windfarm ist vielversprechend: „Der Kamm liegt mit seiner Ausrichtung günstig zur Hauptwindrichtung“, sagt Hoyos. Pro Jahr rechnet er mit rund 2000 Volllaststunden. Bei 14 Windrädern, jedes drei Megawatt stark, ergeben sich so 84 Gigawattstunden – genug für 22000 Haushalte.

„Nicht nur der Betrieb eines Windparks im Gebirge ist extrem, sondern auch der Bau“, berichtet Hoyos. Während Anlagen im Flachland in einer Bausaison errichtet werden, benötigt man im Gebirge wegen der langen Winter doppelt so viel Zeit. So galt es 2015 im ersten Sommer, den 4,5 Kilometer langen Weg zum Park zu bauen und 14 Fundamente zu gießen. Erst im vorigen Sommer wurden die Windräder installiert. Hunderte Tonnen schwere Anlagen auf den Berg zu schaffen, war eine Herausforderung: Schwerlaster mussten die Türme – je fünf Stahlsegmente – anliefern, ein neunachsiger Mobilkran stellte sie auf.

„Da war ein ganzer Konvoi unterwegs, für den es oben auf dem Berg eigentlich viel zu wenig Platz gab“, sagt Hoyos. Zwar sind die Rotorblätter mit rund 40 Metern Länge vergleichsweise kurz. Sie auf normalem Weg durch verwinkelte Dörfer, Wälder und Serpentinen zu fädeln ist jedoch nahezu unmöglich. Deshalb transportierte sie ein Spezialfahrzeug, das die Rotorblätter kippen und drehen kann. Wurde es zu eng, fuhr der Flügel in die Senkrechte.

Seit der Windpark in Betrieb ist, gehört die Vereisung der Rotoren zu den größten Herausforderungen. Die einzelnen Anlagen stehen unterschiedlich hoch und haben ihr eigenes Mikroklima. Daher hat jede Maschine eine eigene Heizung, die von einer lernenden Software gesteuert wird.

Daniel Hautmann

Malawi

Verhindern saubere Herde Lungenentzündungen?

Neben Holz oder Kohle werden in den offenen Herden oft die unterschiedlichsten Materialien verbrannt – sogar Dung oder Müll. Foto: Alamy/ Mauritius Images
Der saubere Ofen von Philips (Modell HD4012LS) arbeitet mit Strom. Foto: Philips

Rauchschwaden stehen über dem Herd und ziehen nicht ab, die Wände sind schwarz. So sieht in Entwicklungsländern oft die Zubereitung warmer Mahlzeiten aus. Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO machen deutlich, wie schwerwiegend das Problem ist: Etwa sechs Millionen Menschen sterben weltweit jährlich an den Folgen von Luftverschmutzung. Bei 4,3 Millionen Toten ist die schlechte Luft in Innenräumen schuld. Betroffen ist fast ausschließlich die Dritte Welt. Dort benutzen immer noch rund drei Milliarden Menschen veraltete Herde. Ihnen fehlt meist der Abzug – der Rauch bleibt im Wohnraum. Darunter leiden vor allem kleine Kinder, deren Lungen durch die Rauchpartikel massiv geschwächt werden. Rund eine halbe Million Kinder unter fünf Jahren sterben in der Folge laut WHO jährlich an Lungenentzündungen.

Deshalb versorgen internationale Hilfsorganisationen Haushalte in Entwicklungsländern mit Herden, die sauberer verbrennen und den Rauch ins Freie leiten. So will die 2010 von der WHO und dem U.S. State Department gegründete Global Alliance for Clean Cookstoves (GACC) bis 2020 mindestens 100 Millionen Haushalte mit solchen Herden ausstatten. Sie nutzen Energiequellen wie Flüssiggas, Ethanol, Biogas oder Elektrizität. Der GACC-Katalog umfasst mehr als 300 „saubere“ Öfen.

Doch eine Studie aus der renommierten Fachzeitschrift „The Lancet“ stellt nun das ganze Konzept infrage. Ihren Ergebnissen zufolge scheinen saubere Herde keinen Einfluss auf die Häufigkeit von Lungenentzündungen bei Kindern zu haben. Für die Untersuchung begleitete ein Team der Liverpool School of Tropical Medicine unter der Leitung des Atemwegexperten Kevin Mortimer im afrikanischen Malawi zwei Jahre lang unter Kinder unter fünf Jahren, aufgeteilt in zwei Gruppen. Die erste, rund 5000-köpfige Gruppe lebte über 150 Dörfer verstreut in ländlichen Gebieten in Haushalten, die für die Studie mit sauberen Herden von Philips ausgestattet wurden. Diese verfügen über einen Ventilator, der den Rauch nicht in die Räume entließ, sondern in einen isolierten Vergaser blies. Die ebenso große Kontrollgruppe benutzte weiterhin die veralteten Herde. Alle drei Monate wurden die Kinder untersucht. „Unsere Resultate zeigen, dass es keinen Unterschied in der Häufigkeit von Lungenentzündungen zwischen den Gruppen gab“, sagt Mortimer.

Ebenfalls in „The Lancet“ veröffentlichte Kommentare äußern Kritik. So schreiben Majid Ezzati vom Londoner Imperial College und Jill Baumgartner von der University of Montreal, dass die Studie von vornherein keine Chance gehabt habe, einen Einfluss auf Lungenentzündungen nachzuweisen. Denn die Öfen seien zu selten benutzt worden – durchschnittlich nur 0,34-mal pro Tag, was auch daran lag, dass sie fast alle aufgrund von Defekten ausgetauscht werden mussten. „Die häufigen Ausfälle der Herde hätten vorhergesehen werden können“, schreiben die Epidemiologen. Zumal die Geräte im Vorfeld nicht ausreichend getestet worden seien.

In erster Linie kritisieren Ezzati und Baumgartner jedoch den Ansatz der Studie. Denn sie beschränke sich allein auf den Einsatz der Herde bei der Nahrungszubereitung, beziehe aber Lebensumstände wie die Heizung oder das Erzeugen von Licht nicht mit ein.

Die Epidemiologen sind sich mit anderen Experten einig, dass Lungenentzündungen in der Dritten Welt nur dann eingedämmt werden können, wenn die Luftqualität insgesamt verbessert wird. Dabei geht es nicht nur um Kochherde, sondern auch um das Verbrennen von Müll, um Autoabgase und zum Beispiel das Rauchen.

ROMAN GOERGEN