MIT Technology Review 3/2017
S. 72
Fokus

2. Alle Kalorien machen gleich dick

Ob Fett, Zucker oder Eiweiß: Für das Körpergewicht zählt nur die Menge an Kalorien – nicht ihre Herkunft. Das stimmt so aber nicht.

R obert Lustig ist gar nicht nach Spaßen zumute. „Das ist eine totale Katastrophe! Wir essen weniger Fett, aber mehr Zucker und werden alle krank.“ Am Benioff Children’s Hospital der University of California in San Francisco behandelt er täglich stark übergewichtige Kinder. Lustig ist einer der prominentesten Gegner der These „Eine Kalorie ist eine Kalorie“. Sein Vortrag „Sugar: The Bitter Truth“, in dem der Kinderarzt und Spezialist für Hormonerkrankungen sein drastisches Urteil fällt, ist seit 2009 fast sieben Millionen Mal angeklickt worden. Darin erklärt er Zucker, insbesondere Fruchtzucker, zum Dickmacher Nummer eins.

Illustration: Shutterstock

Dennoch lebt die Nahrungsmittelindustrie und vor allem die Zuckerwirtschaft immer noch gut von der Behauptung, dass die Quelle für unsere Kalorien egal sei. Wichtig sei die Menge. Ihr zufolge macht es keinen Unterschied, ob Kalorien aus Fetten, Kohlehydraten oder Proteinen stammen. Es komme nicht darauf an, was wir essen, sondern wie viel. Übergewicht wäre demnach das Ergebnis einer einfachen Gleichung: Ist die Kalorienzufuhr höher als die Kalorienverbrennung, nehmen wir zu.

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3. Ein Mensch besteht überwiegend aus Bakterien

Zehnmal mehr Bakterienzellen als eigene sollen wir in uns tragen – eine viel zu hohe Schätzung. Die Bedeutung der Mini-Mitbewohner schmälert das allerdings nicht.

W ir sind in der Unterzahl in unserem eigenen Körper. Denn unsere Zellen machen nur ein Zehntel aller Bakterien- und anderer Mikrobenzellen aus, die wir hauptsächlich im Dickdarm, auf Schleimhäuten und der Haut beherbergen. Der Mensch als wandelnde Bakterienkolonie – die schöne Anekdote aus der Welt der Biologie macht seit Jahren gern die Runde. Nur leider stimmt sie nicht. Wie sich letztes Jahr herausgestellt hat, ist das Verhältnis 10:1 bei Weitem zu hoch gegriffen. Tatsächlich liegt das Verhältnis eher bei etwa 1,3:1, schrieben die israelischen Forscher Ron Milo und Shai Fuchs sowie der Kanadier Ron Sender.

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4. Desinfektionsmittel halten das Heim keimfrei

Bei falscher Anwendung können die Bakterienkiller mehr schaden als nutzen.

G laubt man der Werbung, kommt man um Desinfektionsmittel im Haushalt gar nicht herum. Sie suggeriert, dass man krabbelnde Kinder vor den Spuren der Haustiere schützen muss, und Küche und Bad sollte man unbedingt keimfrei halten, will man sich keine Krankheiten holen. Aber nützen die Mittel tatsächlich etwas?

Desinfektionsmittel sind im Haushalt in den meisten Fällen entbehrlich, konstatiert Sascha Al Dahouk vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin. Die hier vorkommenden Keime bringt man mit, scheidet sie aus oder hat sie an den Händen. Sie lösen nicht zwangsläufig Erkrankungen aus. Für Oberflächen seien normale Haushaltsreiniger vollkommen ausreichend, sagt der Internist und klinische Infektiologe.

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5. Wasserstoff revolutioniert die Energieversorgung

Wasserstoff gilt als grüner Energieträger, da er sich mit überschüssigem Ökostrom herstellen lässt. Dabei geht jedoch sehr viel Energie verloren.

A ls der US-Bestsellerautor Jeremy Rifkin vor fünfzehn Jahren die „Wasserstoff-Revolution“ ausrief, setzte er eine interessante Vision in die Welt: Brennstoffzellen werden eines Tages die Macht der Energiekonzerne brechen. In den kleinen Kraftpaketen reagiert Wasserstoff mit Sauerstoff zu Wasser. Dabei entstehen Strom und Wärme. Brennstoffzellen, so die Hoffnung Rifkins, machen Haushalte und Unternehmen energieautark. Und im Verkehr könnten sie das Speicherproblem der Elektroautos lösen: Mit einer Tankfüllung Wasserstoff erzeugen Brennstoffzellen sauberen Strom für mehrere Hundert Kilometer Fahrstrecke. Wasserstoff werde die „Tür in ein neues Energiezeitalter aufstoßen“, schwärmte Rifkin.

Toyota, Honda und Hyundai haben diese Tür nun einen kleinen Spalt geöffnet, indem sie erste Brennstoffzellenautos auf den Markt gebracht haben. Zudem gründeten dreizehn Unternehmen Anfang des Jahres unter großer medialer Aufmerksamkeit ein Hydrogen Council, um die Technologie endlich marktreif zu machen. Doch wo soll der Wasserstoff für Rifkins Revolution eigentlich herkommen? Zwar ist er unter allen chemischen Elementen des Universums mit großem Abstand am häufigsten zu finden. Er tritt jedoch kaum in reiner Form auf, sondern ist in der Regel an andere Elemente gebunden. Genau das ist der Knackpunkt: „Man muss große Mengen an Energie aufwenden, um Wasserstoff zu gewinnen“, sagt Ulf Bossel, einst Gründer der renommierten Konferenzreihe European Fuel Cell Forum und nun vehementer Kritiker der Wasserstoffwirtschaft. Heute wird Wasserstoff meist mithilfe einer sogenannten Dampfreformierung erzeugt. Dabei hilft zugeführte Wärme dem Wasserstoff auf die Sprünge, sodass er sich aus Kohlenwasserstoffen, in der Regel Erdgas, herauslöst. Ein durchaus bewährtes Verfahren – allerdings steht es wegen der nötigen Wärme und der Kohlenwasserstoffe als Ausgangsmaterial nicht gerade für den Aufbruch in ein neues, klimafreundliches Energiezeitalter.