MIT Technology Review 8/2017
S. 70
Fokus
Vermessung der Welt

Das neue Bild der Erde

Satelliten, Sensoren, Drohnen und Smartphones – sie alle zeichnen permanent Informationen auf. Die Vielzahl der Daten bringt Unsichtbares zum Vorschein und schärft das Bild von unserem Planeten.

Die Korrektur war für Rohstoffanalysten ein Schock: Mindestens 87 Millionen Tonnen Erdöl betrage die strategische Ölreserve Chinas für 2016. Dabei war sich die Expertenriege weltweit eigentlich weitgehend einig gewesen, dass es lediglich 56 Millionen Tonnen seien. Das Zahlenspiel klingt wie ein unbedeutender Nebenschauplatz der Weltwirtschaft, doch es ist für den Rohölhandel von besonderer Bedeutung. Aus der strategischen Reserve kann man grob ablesen, wann das bevölkerungsreichste Land der Erde Öleinkäufe mit großen Volumen tätigen wird. Und das verschiebt wiederum den Ölpreis, der Milliarden Dollar hin- und herbewegt. Zutage brachte diesen gewaltigen Unterschied das kalifornische Start-up Orbital Insight. Das Unternehmen um den ehemaligen Google-Manager James Crawford setzte dabei nicht wie bei Analysten üblich auf Umfragen und öffentlich zugängliche Zahlen und Statistiken, sondern auf Fakten aus dem All: Da die oberirdischen Tanks auf dem Öl schwimmende Dächer haben, verrät der auf Satellitenbildern sichtbare Schattenwurf den Füllstand. Dabei gilt: Je größer der Schatten, desto leerer der Tank. Die Information war Milliarden wert – und raubte China seinen strategischen Vorteil im Erdölhandel.

Crawford kann aus Satellitenbildern aber noch weit mehr ablesen: globale Schiffsbewegungen, aktuelle Fortschritte auf Großbaustellen, den Reifegrad von Maisfeldern. Einige seiner Kunden, dem Vernehmen nach große Hedgefonds, lassen Parkplätze vor Einkaufszentren beobachten, um möglichst frühzeitig Informationen über die Umsatzentwicklung von Kaufhäusern zu bekommen – um dann vor allen anderen überlegen zu können, was sie mit ihren Unternehmensanteilen anstellen.