MIT Technology Review 9/2017
S. 113
Fundamente
Rückschau

Starrer Deckel

An dieser Stelle blicken wir zurück auf Artikel, die vor fünf Jahren in Technology Review erschienen sind. Diesmal: Ausbau der Windkraft

technology review 9/2012 Einige Hürden für die Windkraft sind gefallen.

Windkraft werde das „Lastpferd der Energiewende“ bleiben, sagte der damalige Bundesumweltminister Peter Altmaier vor fünf Jahren. Doch TR machte schon ein paar Bremsklötze aus: Widerstand von Anwohnern, hohe Kosten von Offshore-Parks, schleppender Netzausbau, fehlende Speicher, technische Grenzen, knappe Rohstoffe.

Insgesamt hat sich die installierte Leistung seitdem von 30 auf 50 Gigawatt erhöht. Doch viele der Hürden bestehen weiter – etwa der Protest der Anwohner. Deshalb hat Bayern 2014 verfügt, dass Windräder den zehnfachen Abstand ihrer eigenen Höhe zur nächsten Siedlung halten müssen.

Beim Netzausbau und bei den Speichern hat sich das Problem verschärft. Die Energiemenge, die abgeregelt werden musste, um das Netz nicht zu überlasten, hat sich von 2012 bis 2015 mehr als verzehnfacht – von rund 360 auf 4700 Gigawattstunden. Immerhin gibt es Anzeichen einer Trendwende: 2016 waren es nur noch rund 3700 Gigawattstunden. Auch technisch ist offenbar eine Grenze erreicht: Bei einer Rotorblattlänge von 75 Metern dürfte Schluss sein, schrieb TR damals. Dieser Wert wurde mittlerweile zwar übertroffen – allerdings nur um fünf Meter.

Die Sorge um knappe Rohstoffe hat sich nicht bestätigt. Kupfer wurde seit 2012 rund 15 Prozent billiger, und bei den seltenen Erden ist der Preis geradezu implodiert. Neue Generatoren brauchen nur noch einen Bruchteil davon, und es gibt neue Förderstätten außerhalb Chinas.

Am deutlichsten daneben lag die Prognose, Windkraft zur See werde mit 11 bis 18 Cent pro Kilowattstunde auf absehbare Zeit teurer bleiben als an Land. Tatsächlich endete die erste Offshore-Auktion im April damit, dass die Erzeuger ihren Strom fast ohne jede Einspeisevergütung anboten.

Letztlich ist es aber einerlei, inwieweit solche Faktoren den Zubau der Windkraft bremsen – der Bund hat 2016 einen starren Deckel von fünf Gigawatt jährlich für alle Erneuerbaren eingezogen. So viel hatte die Windkraft im Rekordjahr 2014 fast allein geschafft. Da viele alte Anlagen ab 2020 aus der EEG-Förderung herausfallen und möglicherweise abgeschaltet werden, könnte die gesamte installierte Leistung unter dem Strich künftig sogar abnehmen. GREGOR HONSEl