MIT Technology Review 11/2018
S. 36
Horizonte
Interview

» Menschen verdienen umso weniger, je nützlicher ihr Job ist «

Als vehementer Kritiker des derzeitigen Finanzsystems machte sich David Graeber einen Namen. In seinem neuen Buch klagt der Ethnologe über die Zunahme sinnloser Jobs. Den Grund sieht er in der Automatisierung.

TR: Herr Graeber, was müssen wir uns unter einem „Bullshit-Job“ vorstellen?

Graeber: Das ist ein Job, von dem die Leute, die ihn machen, glauben: Wenn es diesen Job nicht gäbe, würde dies nicht auffallen, würden die Dinge sogar ein wenig besser.

David Graeber ist Ethnologe und lehrt am Department of Anthropology der London School of Economics. Bekannt wurde der gebürtige US-Amerikaner als einer der Köpfe der Occupy-Bewegung, die vor allem in New York gegen die übermächtige Rolle des Finanzsektors protestierte. Er ist Autor des Buchs „Schulden – die ersten 5000 Jahre“. Jüngst erschien sein Werk „Bullshit-Jobs“ (Klett-Cotta). Foto: Frantzesco Kangaris/InterTopics/Ddp Images

Sie unterscheiden Lakaien, Schläger, Flickschuster, Kästchenankreuzer und Aufgabenverteiler (siehe Seite 38, Anm. der Redaktion). Wie sind Sie auf diese Begriffe gekommen?

Ich hatte 2013 die Idee der Bullshit-Jobs in einem kurzen Essay skizziert. Die Resonanz war enorm. Ich habe dann auf Twitter Leute nach ihren Erfahrungen gefragt und sie gebeten, sie mir an eine E-Mail-Adresse zu schicken. Einige dieser Begriffe habe ich direkt aus diesen Beschreibungen sinnloser Jobs übernommen, andere sind offensichtlich. Nehmen Sie die Kästchenankreuzer: Sie sind dafür da, dass Unternehmen, Regierungen und Organisationen von sich sagen können, sie würden etwas tun, was sie gar nicht tun. Ein besonders absurder Fall war eine Frau, die in einer Altenpflege-Einrichtung arbeitete. Sie war eigentlich für die Unterhaltung der Senioren zuständig. Tatsächlich war sie die meiste Zeit damit beschäftigt, den Senioren Fragebögen und Listen in die Hand zu drücken, welche Art der Unterhaltung sie gern hätten. Die Frau musste dies dann auswerten und hatte keine Zeit mehr, für Unterhaltung auch wirklich zu sorgen.