MIT Technology Review 12/2018
S. 28
Horizonte
Automobil
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Collage: Shutterstock

Überroll-Kommando

Die deutsche Autoindustrie steigt in die Elektromobilität ein – aber ohne die wichtigste Zutat selbst fertigen zu können: die komplette Batterie. Das geht. Aber geht es gut?

Es ist ja nicht so, als ob die Branche nicht versucht hätte, Batteriezellen in Deutschland zu produzieren. Da war zum Beispiel Li-Tec. Die Zellen der Daimler-Tochter aus dem sächsischen Kamenz sollen in Bezug auf Ladezyklen, Haltbarkeit und Sicherheit die Produkte der asiatischen Konkurrenz damals sogar deutlich übertroffen haben. Sie waren aber eben auch deutlich teurer. Ende 2015 stellte Daimler die Zellproduktion wieder ein. Und TerraE, ein 2017 gegründetes Konsortium, das den Plan für eine deutsche Gigafactory hatte, steht wegen Finanzierungsproblemen vor dem Aus. Offene Finanzierungsfragen sollen zum Streit und dann zum Scheitern geführt haben. Und jetzt?

Jetzt „droht Deutschland in der Zellfertigung den Anschluss zu verlieren“, sagt Martin Winter, wissenschaftlicher Leiter des Batterieforschungszentrums MEET der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Viele Experten sehen daher sehr besorgt in die Zukunft der deutschen Automobilindustrie. Denn die Frage ist längst nicht mehr, wann wie viele Elektroautos auf deutschen Straßen fahren werden, sondern wer in Zukunft daran verdient. Ob es 2030 noch die deutschen Hersteller sind, hängt nämlich zum großen Teil vom Zugang zu den Lithium-Ionen-Batteriezellen ab. Und da ist inzwischen nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa empfindlich abhängig von asiatischen Lieferanten. Keine Elektroauto-Offensive funktioniert künftig ohne Unternehmen wie Panasonic aus Japan, Samsung SDI und LG Chem aus Korea oder CATL und BYD aus China. Allein Tesla mischt mit seiner Gigafactory in Nevada in dem Konzert der großen Hersteller noch mit, produziert aber nur für den Eigenbedarf.