Technology Review Special 2018
S. 58
Digital
Medizin
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Endlich kommt die Medizin aufs Smartphone

Im Jahr 2018 ist rege Aktivität bei der Digitalisierung von Krankenkassen, Praxen und Krankenhäusern ausgebrochen. Nun müssen noch die Ärzte mitspielen.

Erwin Müller war eine Zumutung für seine Ärzte. Er litt an einer der aggressivsten Krebserkrankungen, die es gibt: an einem asbestbedingten Brustfellkrebs. Und er ließ sich, weil er bis zuletzt hoffte, in der ganzen Republik behandeln – in Berlin, in Hamburg, in Saarbrücken. Vier Aktenordner mit seiner Krankengeschichte, Entlassungspapieren und CT-Aufnahmen schickte er 2017 an die Charité. Aber wie immer musste er dann hinfliegen, obwohl er vor Schmerzen kaum noch laufen konnte. Der Arzt fragte all das, was auch in den Akten stand. Dann wiegte er nachdenklich den Kopf und bedauerte, dass er bei einer derart fortgeschrittenen Krebserkrankung nichts mehr tun könne.

Eines ist sicher: In wenigen Jahren werden Patienten wie Erwin Müller keine Ordner mehr verschicken. Sie werden ihre medizinischen Daten in einer elektronischen Patientenakte mitbringen. Der Arzt kann die Krankengeschichte mit wenigen Klicks öffnen. Er muss weniger fragen und wird doch schneller ein Bild vom Patienten haben. Diese Vision ist seit Langem das Leitbild für ein modernes digitales Gesundheitssystem, und Wirklichkeit werden sollte sie eigentlich schon 2004. Stattdessen wurde die Vision zum Chiffre für ein starres Deutschland, das keine Lust auf Digitalisierung hat, für ein Gesundheitssystem, das mehr mit sich als mit dem Patienten beschäftigt war. 2018 jedoch änderte sich Entscheidendes.