Technology Review Special 2018
S. 32
Verkehr/Raumfahrt

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Opportunity: Marathon auf dem Mars

Die Marssonde Opportunity sollte ursprünglich nur drei Monate aktiv sein. Geschafft hat sie mehr als 14 Jahre.

Opportunity dürfte die erfolgreichste Raumsonde aller Zeiten sein. Ursprünglich nur für drei Monate Untersuchungen auf dem Mars ausgelegt, war sie letztlich mehr als 14 Jahre lang im Dienst.

Foto: NASA

In dieser Zeit legte sie rund 45 Kilometer zurück, fotografierte Sanddünen, Staubteufel und grünliche Sonnenuntergänge, nahm Gesteinsproben, wies erstmals Spuren flüssigen Wassers nach, entdeckte Meteoriten, durchquerte Krater, erklomm Hügel, fuhr sich mehrmals fest, überstand Sandstürme, dunkle Winter, Verbindungsabbrüche und Speicherausfälle, brach Rekord nach Rekord und lief und lief und lief – und das seit 2005 überwiegend rückwärts, da ein Vorderrad blockierte (siehe TR 6/2008, S. 48).

Doch irgendwann geht auch das erfüllteste Roboterleben zu Ende. Die Schwestersonde Spirit wachte schon 2010 nicht mehr aus ihrem Winterschlaf auf. Im Sommer 2018 erwischte es dann auch Opportunity selbst: Ein Sandsturm von nach Angaben der Nasa „gigantischer Größe“ ließ kaum noch Sonnenlicht zu seinen Solarzellen durchdringen. Seit dem 10. Juni hat sich der Rover nun nicht mehr gemeldet.

Ob Batterien und Elektronik irreparable Schäden davongetragen haben, ist ungewiss – eigentlich waren sie für ihr Alter noch recht rüstig. Noch immer hoffen daher die Betreuer vom Jet Propulsion Lab, dass frische Winde die Solarzellen doch noch freiblasen und Opportunity zu einem neuen Leben verhelfen. Bis auf Weiteres pingen sie den kleinen Roboter regelmäßig an und lauschen auf seine Signale. Die Forscher hoffen nicht allein: Fast 10000 elektronische Postkarten mit Genesungswünschen sind beim JPL eingegangen. GREGOR HONSEL

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John Watts Young: Rekordhalter im All

In sechs Weltraummissionen und zuvor als Testpilot hat John Watts Young viele technische Premieren gefeiert.

Welche Raumschiffe die Nasa in den letzten Jahrzehnten auch gebaut hat – John Watts Young ist sie alle geflogen. Als er 2004 in Rente ging, waren nicht nur seine 42 Dienstjahre bei der Nasa ein bis heute unübertroffener Rekord. Während seiner sechs Weltraummissionen hatte Young als bisher einziger Mensch vier verschiedene Fahrzeuge gesteuert: Gemini-Kapsel (1965 und 1966), Apollo-Kapsel (1969), Apollo-Mondlandefähre (1972) sowie das Space Shuttle (1981 und 1983). Darunter waren zwei Jungfernflüge (Gemini 3 und Space Shuttle).

Foto: Wikipedia/ NASA

Schon in seiner Zeit als Testpilot hatte Young einige Steigflug-Rekorde aufgestellt, die zum Teil jahrelang Bestand hatten. Bei Gemini 3 bediente er als Erster einen Computer im All. Mit Apollo 10 war er 1969 als erster Mensch allein im Mondorbit, als Generalprobe für die erste Mondlandung. 1972 stand er schließlich selbst auf dem Mond. 1981 landete er als erster Pilot ein Raumschiff wie ein Flugzeug. Zu seinen weiteren Rekorden gehört der bis heute schnellste Wiedereintritt in die Erdatmosphäre mit knapp 40000 Kilometern pro Stunde (Apollo 10) sowie mit 7,19 g die größte Belastung, die je ein Astronaut bei einer Landung ertragen musste (Apollo 16). Zudem war er der erste Mensch, der je ein Corned-Beef-Sandwich ins All schmuggelte (Gemini 3).

Wäre das Space Shuttle Challenger nicht 1986 explodiert, wäre Young plangemäß ein weiteres Mal geflogen. Stattdessen übte er lautstark Kritik an der Nasa und setzte sich fortan vor allem für die Sicherheit der Astronauten ein. Er starb am 5. Januar 2018 im Alter von 87 Jahren. GREGOR HONSEL

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Stephen Hawking: Liebling des Boulevards

Er war – das muss man als Physiker erst einmal schaffen – der Liebling des Boulevards. Die Zeitungen mit den großen Buchstaben verehrten ihn. Sie priesen ihn als „vielleicht klügsten Menschen auf dem Planeten“, als „Kult-Physiker“, als „Jahrhundert-Genie“, als „Popstar der Wissenschaft“.

Foto: Writers Pictures/Interfoto

Und Stephen Hawking, dem Gepriesenen, schien dieser boulevardeske Ruhm durchaus zu gefallen – auch das muss man als Physiker erst einmal schaffen. Er spielte mit den Medien. Er nutzte sie, um mit gewitzten Auftritten und provokanten Thesen Werbung zu machen für sich, seine Bücher, vor allem aber für die Kosmologie.

Ob der Ausnahmephysiker Hawking dabei wirklich der Größte, der Genialste war, ob er in der gleichen Liga spielte wie Newton und Einstein, ist und bleibt Gegenstand akademischer Diskussionen. Fakt ist: Der Nobelpreis, die Krone der Wissenschaft, blieb dem Theoretiker, der seine Forschungsarbeiten der Kosmologie, der Gravitation und der Entstehung des Weltalls gewidmet hatte, zeitlebens verwehrt. Er erhielt ihn nicht einmal für die nach ihm benannte Hawking-Strahlung, die revolutionäre, allerdings nur durch Formeln belegte Vorhersage, dass selbst Schwerkraftmonster wie Schwarze Löcher Wärmestrahlung und Lichtteilchen ausspucken können.

Den Massen war es egal. Einen Großteil des Mythos Hawking machte – so brutal es klingen mag – ohnehin etwas anderes aus: seine Krankheit. Hawking war 21 Jahre alt, als Ärzte bei ihm die unheilbare Nervenkrankheit ALS diagnostizierten und einen frühen Tod voraussagten. Mehr als 50 Jahre lang trotzte Hawking dieser Prognose; zuletzt konnte er allerdings nur noch seinen Wangenmuskel bewegen und dadurch einen Sprachcomputer steuern. Außerhalb der Fachwelt hatte der Physiker somit sein Etikett weg: Hawking war das Genie im Rollstuhl, das eigentlich schon lange nicht mehr leben sollte. Er war der brillante Geist, gefangen in einem schwächelnden Körper.

Hawking hat bei alldem mitgespielt, mit einem gesunden Selbstbewusstsein und seinem ganz eigenen Humor. „Das Universum erlaubt keine Fehlerfreiheit“, war einer dieser Sätze. Oder: „Ich bin der Archetyp eines behinderten Genies.“ Oder: „Ich habe keine Angst vor dem Tod, ich bin aber auch nicht in Eile.“ Und er nutzte geschickt die Aufmerksamkeit, die das Bild eines vermeintlich hilflosen Genies mit sich brachte, um sich zu inszenieren und seine Bücher an den Mann oder die Frau zu bringen: Mehr als 15 Millionen Mal wurde Hawkings erstes populärwissenschaftliches Werk, die 1988 erschienene „Kurze Geschichte der Zeit“, verkauft. Kosmologie war auf einmal cool, auch wenn Hawkings Thesen alles andere als eingängig klangen. Kritiker spotten daher auch: Auf der Rangliste der Bücher, die ungelesen im Regal verstaubten, liege die „Kurze Geschichte“ auf Rang zwei – direkt hinter der Bibel.

Hawking war es egal. Der Physiker wusste um seine Popularität. Und er wusste, wie er damit Schlagzeilen generieren konnte – zuletzt vermehrt auch fernab der Astrophysik: Hawking warnte vor Aliens und vor künstlicher Intelligenz, er philosophierte über Zeitreisen, er riet der Menschheit eindringlich, andere Sonnensysteme zu besiedeln.

Am 14. März 2018 ist der Mann, der die Kosmologie massentauglich machte, im Alter von 76 Jahren gestorben. Die Physik hat vielleicht nicht ihren genialsten Kopf aller Zeiten verloren, aber sicherlich einen ihrer wichtigsten Botschafter und Kommunikatoren. Alexander Stirn

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Weltraumteleskop Kepler: Ende des Planetenjägers

Nach fast zehn Jahren nahm die Nasa ihr Weltraumteleskop Kepler aus dem Dienst. Es enthüllte eine zuvor unbekannte Vielfalt im All.

Als das Weltraumteleskop Kepler im März 2009 ins All geschossen wurde, wusste man nur von rund 300 Planeten außerhalb unseres Sonnensystems. Kepler hat 2662 weitere entdeckt. Etwa 30 davon könnten Leben beherbergen. Insgesamt gehen rund 70 Prozent aller bekannten Exoplaneten auf Keplers Konto. Zu seinen prominentesten Entdeckungen zählt Kepler-37b, der kleinste bisher entdeckte Exoplanet, kaum größer als der Erdmond (siehe TR 12/2014). Zudem hat Kepler 61 Supernovae beobachtet und damit neue Erkenntnisse über die Entstehung von Sternen geliefert.

Illustration von Kepler im All – die Kreuze zeigen unterschiedliche Beobachtungsfelder für das Teleskop. Foto: T. Pyle/JPL-Caltech/NASA Ames

Die 678 Gigabyte an Daten, die Kepler an die Erde schickte, enthüllten eine zuvor unbekannte Vielfalt des Weltalls: Offenbar gibt es mehr Planeten als Sterne im Universum. Die häufigste Planetengröße liegt zwischen Erde und Neptun und existiert in unserem eigenen Sonnensystem nicht. 20 bis 50 Prozent aller Sonnen haben kleine, felsige Planeten in habitablen Zonen.

Eigentlich war Keplers Einsatz bereits 2013 beendet, als zwei Reaktionsräder zur Ausrichtung und Stabilisierung ausfielen. Doch die Nasa fand einen Weg, den Ausfall teilweise durch Steuerdüsen zu kompensieren. Später aber ging Kepler schlicht der Treibstoff aus. Am 30. Oktober 2018 legte die Nasa das Teleskop endgültig still. Es bleibt im Sonnenorbit.

Der Nachfolger TESS (Transiting Exoplanet Survey Satellite) war bereits im April 2018 ins All gestartet. Er wird sich auf hellere und erdnähere Sonnen fokussieren und einen größeren Ausschnitt des Himmels untersuchen als Kepler. GREGOR HONSEL