MIT Technology Review 2/2018
S. 38
Horizonte
Soziale Medien
Aufmacherbild
Simon Hegelich sorgt sich, dass sich die Gesellschaft bereits in einem heftigen Sturm befindet, von dem sie nichts mitbekommt. Foto: Andreas Wodrich

»Wir brauchen radikalere Antworten«

Je stärker soziale Medien uns in Beschlag nehmen, desto stärker leben wir in Filterblasen und Echokammern. So lautet eine häufige Klage über den modernen Medienkonsum. Aber stimmt sie? Simon Hegelich, Professor für politische Datenwissenschaften an der TU München, glaubt: Ja. Die Grundlagen der Gesellschaft geraten ins Schwimmen. Kommunikationswissenschaftler Sascha Hölig, Senior Researcher am Hans-Bredow-Institut, widerspricht. Ein Streitgespräch.

TR: Gefährden Filterblasen unsere Demokratie?

Hegelich: Was da in sozialen Netzwerken passiert, halte ich für sehr gefährlich, weil plötzlich eine Plattform wie Facebook zu einem der wichtigsten Kanäle der politischen Kommunikation wird, die dafür nicht gemacht ist. Ich würde allerdings nicht von Filterblasen sprechen, sondern von Echokammern. Es sind nicht einfach nur Algorithmen, die einen dazu bringen, dass man nichts mehr mitkriegt, sondern auch das eigene Verhalten. Das Bild der Echokammer gibt gut wieder, dass man sich in einem Raum befindet, wo man das, was man selber reinruft, immer wieder raushört. Dieses „Ich suche mir nur Leute, die schon meine Meinung haben“. Doch Politik funktioniert nicht ohne Diskurs und Diskussion.