MIT Technology Review 2/2018
S. 30
Horizonte
Technologie
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Illustrationen: Shutterstock

Die Rattenfänger aus dem Silicon Valley

Experten warnen: Mit ausgeklügelten psychologischen Tricks verwandeln soziale Netze insbesondere Teenager in sozial isolierte, einsame, depressive Smartphone-Abhängige. Ist tatsächlich eine ganze Generation in Gefahr?

Jean Twenge macht sich Sorgen. Die Psychologin von der San Diego State University erforscht seit mehr als 20 Jahren Unterschiede zwischen verschiedenen Generationen. Nun fürchtet sie um das Wohl einer ganzen Generation, die im wahrsten Sinne des Wortes dem Smartphone zum Opfer fallen könnte.

Ja, dem Smartphone. Nicht der wachsenden Gewalt auf amerikanischen Straßen, nicht dem zunehmenden Autoverkehr und auch nicht der Schmerzmittel-Epidemie, die gerade über die USA hinwegfegt, sondern dem Computer in ihrer Hosentasche. In einem Aufsatz, der im November 2017 in der Fachzeitschrift „Psychological Science“ erschienen ist, zeichnet Twenge gemeinsam mit Kollegen der San Diego State University und der Florida State University ein dramatisches Bild: Zwischen 2010 und 2015 sei die Selbstmordrate von Mädchen zwischen 13 und 18 Jahren um 65 Prozent gestiegen. Die Zahl der Mädchen, die Symptome der Selbstmordgefährdung zeigen – über Selbsttötung nachdenken, sie konkret planen oder versucht haben, sich umzubringen – ist um 12 Prozent gestiegen. Gleichzeitig habe die Zeit, die Teenager zwischen 2010 und 2015 pro Tag in sozialen Netzen verbringen, rapide zugenommen. Diese Tatsache „könnte für den Zuwachs an Selbstmorden und depressiven Symptomen verantwortlich sein“ schreiben die Autoren – vorsichtig – in dem Paper. Denn andere mögliche Ursachen wie die wirtschaftliche Lage und die Entwicklung der Arbeitslosigkeit zeigten keine zeitliche Korrelation.