MIT Technology Review 4/2018
S. 3
Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

Damit Computer so klug werden wie Menschen – müssen sie dazu auch so werden wie Menschen? Brauchen sie Gehirne, die genauso verdrahtet sind, mit den gleichen Mechanismen der Reizverarbeitung? Wir wissen es nicht. Aber Menschen wollen es herausfinden – und machen sich daran, das Gehirn nachzubauen, nicht eins zu eins, aber angelehnt an seine Funktionsprinzipien. 100 Millionen Dollar stecken die USA derzeit in diese Mammutaufgabe. Das Geld wird nicht reichen, um zu entdecken, wie aus dem dichten Gewebe kreuz und quer vernetzter Nervenzellen geordnete Informationsverarbeitung erwächst – wenn sich überhaupt jemals ein schlüssiges Bild ergibt.

Und doch steht die künstliche Intelligenz damit vor der nächsten entscheidenden Stufe, wie wir ab Seite 28 schreiben. Denn neurobiologische Erkenntnisse haben bereits zu ersten Rechnern geführt, die nach dem Prinzip natürlicher Nervensysteme arbeiten. Je mehr über die Tricks des Gehirns bekannt ist, desto besser werden diese Neuro-Computer.

Wie weit die Entwicklung geht, wird sich zeigen. Aber zwei Fragen drängen sich schon jetzt auf. Die erste: Wenn wir unser Gehirn in Rechnern simulieren können – wer garantiert uns, dass wir nicht selbst schon eine Simulation sind? Für unseren Fokus zum Thema Simulation haben wir dem Technik-Philosophen und Bestseller-Autor Nick Bostrom diese Frage gestellt. Ab Seite 80 lesen Sie seine Antwort.

Und die zweite: Werden wir irgendwann Maschinen konstruieren, die Bewusstsein besitzen? Vielleicht sollten wir es nicht tun, und möglicherweise können sich die meisten Forscher sogar darauf einigen, diese Grenze nicht zu überschreiten. Aber es wird nichts helfen. Denn niemand weiß, wann Bewusstsein beginnt. Ob wir die Grenze überschritten haben, werden wir erst hinterher wissen. Mitunter erkennen die Menschen Bewusstsein ja nicht einmal bei ihresgleichen. Von Wachkoma-Patienten beispielsweise dachten Mediziner lange, sie würden ihre Umgebung nicht bewusst wahrnehmen. Dann schaute der britische Neurologe Adrian Owen genauer hin. Im Interview ab Seite 56 erzählt er von seinen Erkenntnissen.

Ich begrüße Sie in unserer April-Ausgabe.

Ihr

Robert Thielicke

Unterschrift