MIT Technology Review 5/2018
S. 3
Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

Ich gebe zu: Jeder redet derzeit davon, die Welt mit seiner Technologie zu verändern. Wir leben in hyperbolischen Zeiten. Aber die meisten können ihr Versprechen nur mit einem Trick einhalten: Sie machen aus einem kleinen Problem ein großes. Wer das kann, gilt heute schon als innovativ.

Aber es gibt auch den anderen Weg: ein großes Problem klein zu machen. Und zwar nicht durch geschickte Rhetorik und gutes Marketing, sondern mit einer guten Idee. Einer, die auch zehn Milliarden Menschen noch mit genügend Essen versorgen kann; oder die ein Mittel gegen den Verlust der Privatsphäre im digitalen Zeitalter findet. Mit diesen Ideen beschäftigen wir uns in allen unseren Ausgaben – und in dieser ganz besonders.

Wir beschreiben ab Seite 55 zehn Technologien, von denen wir künftig viel erwarten. Die Liste reicht von praxistauglichen Quantenrechnern über künstliche Blätter zur sauberen Energieerzeugung bis hin zu synthetischen Organismen und künstlichen Intelligenzen, die sich gegenseitig trainieren.

Wir sind nicht der Meinung, dass diese Ideen die Welt zwangsläufig zu einem besseren Ort machen. Gerade das Beispiel KI zeigt, welche Gratwanderungen auf uns warten, denn sich gegenseitig verbessernde Rechner-Intelligenzen können Bilder und Videos erschaffen, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Wer das nutzt, verfügt über erschreckende Möglichkeiten, Informationen zu fälschen.

Umgekehrt aber können diese KI-Systeme auch helfen, völlig neue Wirkstoffe gegen Krankheiten zu finden. Können wir also die positiven Seiten nutzen, ohne an den negativen zu scheitern? Noch kennen wir die Antwort nicht. Aber wir können viel dafür tun, dass sie in unserem Sinn ausfällt. Wenn wir diese Chance nicht nutzen, werden die großen Probleme nur dann kleiner, wenn jemand sie kleinredet.

Ich begrüße Sie in unserer Mai-Ausgabe.

Ihr

Robert Thielicke

Unterschrift