MIT Technology Review 8/2018
S. 18
Aktuell

Zeitlupe nachträglich erzeugt

Screenshot aus Video/NVIDIA

Forscher des Chipherstellers Nvidia haben neuronale Netze trainiert, aus beliebigen Videosequenzen Zeitlupen zu machen. Die Schwierigkeit dabei ist, dass Zwischenbilder komplett neu generiert werden müssen. Will man eine Sequenz etwa um den Faktor vier verlangsamen, so braucht man die vierfache Menge an Bildern – es müssen also zwischen jedem Originalbild drei zusätzliche Zwischenbilder komplett neu erstellt werden. Es gibt zwar schon länger Algorithmen, die diese generieren können. Das ging aber nur bis zu einem gewissen Faktor der Verlangsamung und produzierte außerdem Fehler: Die Zwischenbilder waren verzerrt, unscharf oder enthielten Klötzchen. Nvidias neuer Ansatz soll nicht nur beliebig viele Zwischenbilder generieren können, sondern auch schneller sein. Zu sehen ist das Ergebnis auf den beiden Fotos rechts. Das veröffentlichte Material zeigt, dass die künstlichen Zwischenbilder realistischer aussehen und auch in Benchmarks wie dem SSIM (Structural Similarity Index), der die strukturelle Ähnlichkeit von Bildern misst, um knapp zehn Prozent besser abschneiden. Ganz ohne Bildfehler geht es auch bei Nvidia also nicht. GREGOR HEPPEL

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ

Software sieht menschliches Verhalten voraus

Um die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine zu verbessern, arbeiten Jürgen Gall und seine Kollegen von der Uni Bonn an der Vorhersage menschlicher Aktionen. Dazu griffen sie auf Hunderte frei verfügbarer Videos zurück, in denen Dutzende verschiedener Menschen entweder ein Frühstück oder einen Salat vorbereiteten. Diese bis zu zehn Minuten langen Filme zerteilten sie in charakteristische Sequenzen wie Zwiebel schneiden oder Pfeffern und Salzen. Mit solchem Material trainiert, konnte eine Software auch bei unbekannten Aufnahmen die folgenden Handgriffe vorhersagen. Für die nächsten Sekunden lag sie in bis zu 40 Prozent der Fälle richtig. Diese Trefferquote schrumpfte kontinuierlich, je weiter die Aktionen in der Zukunft lagen.

Doch Gall ist davon überzeugt, diese Quote weiter steigern zu können. Anwendungen sieht er in der Steuerung von Industrie- und Pflegerobotern. Die Software könnte aber auch Menschen rechtzeitig vor gefährlichen Aktionen warnen. JAN OLIVER LÖFKEN

SICHERHEIT

Drohne erkennt Übergriffe

Drohnen sollen Polizisten künftig automatisch zum Tatort lotsen, wenn es zu Prügeleien kommt.

Dafür trainierte Amarjot Singh von der University of Cambridge gemeinsam mit seinen Kollegen eine selbstlernende Software mit mehr als 2000 Gewaltszenen. Gruppen von zwei bis zehn Personen stellten typische Aktionen wie Tritte, Stöße, Schläge oder Würgegriffe nach.

Aus den Videoaufnahmen ergaben sich für verschiedene Gewalttaten jeweils charakteristische Positionen von Kopf, Händen, Armen, Beinen und Füßen. Diese vereinfachten Körperdaten bildeten die Basis für die Gewalterkennung. Kämpften zwei Personen miteinander, konnte die Software dies auf Videoaufnahmen mit einer Trefferquote von mehr als 90 Prozent erkennen. Bei zehn Personen sank die Quote auf knapp 80 Prozent.

Singh und seine Kollegen wollen die Zuverlässigkeit ihrer Software nun mit weiterem Trainingsmaterial erhöhen. Im kommenden Herbst ist ein Testlauf bei einer Veranstaltung mit bis zu 4000 Teilnehmern im indischen Warangal geplant, bei der Drohnenvideos in Echtzeit ausgewertet werden sollen.

Sollte sich die Drohnenüberwachung bei dieser Massenveranstaltung bewähren, kann sich Singh auch weitere Einsätze seines Systems vorstellen – zum Beispiel automatiserte Patrouillen entlang von Grenzen. JAN OLIVER LÖFKEN

APP des monats

Krankenakte und Gesundheits-App

Vivy heißt das nächste große Ding auf dem Smartphone. Die Gesundheits-App will hierzulande bis zu 25 Millionen Menschen erreichen. Dafür hat sich Gründer Christian Rebernik, zuvor CTO bei der Banking-App N26, mit der Allianz zusammengetan und weitere 80 Krankenkassen und -versicherungen sowie den IT-Dienstleister Bitmarck mit ins Boot geholt.

Zwar steht Vivy schon im Apple App Store und bei Google Play zum Download bereit, allerdings brauchen Nutzer derzeit noch einen Einladungscode, um die App auch nutzen zu können. Dazu müssen sie sich auf der Website registrieren. Nach dem Start der App sind einmalig allerhand Daten einzugeben und Fragen zu beantworten, die der Berechnung des biologischen Alters dienen. Zudem nutzt die App auch Schnittstellen zu anderen Gesundheits-Apps wie Apple Health, zu Fitness-Trackern und Sportuhren. Da ich mit Werten zu Cholesterin, Blutzucker oder Erythrozyten nicht dienen kann, steht die Antwort bei mir noch aus. Als Zwischenergebnis verrät mir die App aber, dass Ernährung und Bewegung bei mir gut sind, mein Geist aber noch mehr Pflege vertragen könnte.

Im Bereich „Akte“ lassen sich Notfalldaten, Impfungen, einzunehmende Medikamente, Vorsorgeuntersuchungen und Dokumente von Ärzten speichern. Letztere kann der Nutzer bequem aus der App heraus bei seinem Arzt anfordern. Vivy stellt diesem dafür eine gesicherte und verschlüsselte Upload-Möglichkeit zur Verfügung und beteuert, dass niemand die Daten einsehen kann außer Arzt und Patient. Mein Arzt hat sich auf meine Anfrage allerdings noch nicht gerührt.

Wenn Vivy erfolgreich ist, hat man mit der App in Zukunft seine Krankenakte selbst in der Hand. Auch Ärzte sollen dann – mit Einverständnis des Nutzers – schneller auf die nötigen Daten zugreifen können und ihn besser behandeln. KARSTEN SCHÄFER

MATERIAL

Graphenschaum für Stromspeicher

Polyimid (PI) wird zu laser-induziertem Graphen (LIG). Ethylen-Glykol (EG) verbindet die Schichten. Grafik: Tour Group/Rice University

Die herausragenden elektronischen Eigenschaften des zweidimensionalen Graphens konnten Forscher der texanischen Rice University auf dreidimensionalen Graphenschaum übertragen, der sich etwa für Stromspeicher-Elektroden oder Sensoren nutzen lässt. Dazu heizten James Tour und seine Kollegen mit Lasern hauchdünne Kunststofffolien aus Polyimid auf und verbrannten sie teilweise. Dabei entstanden großflächige Graphenlagen. Anschließend beschichteten sie diese erste Lage abermals mit einer Polyimidlösung und erzeugten per Laser eine weitere Graphenschicht. Mehrmals wiederholt, entstand ein Block aus flexiblem und hochporösem Graphenschaum mit 20 bis 30 Nanometer großen Poren.

Daraus fertigten die Forscher einen Lithium-Ionen-Kondensator, um das Elektrodenverhalten zu analysieren. Mit einer Kapazität von 354 Milliamperestunden pro Gramm erreichte der Graphenschaum zwar nur etwas höhere Werte als Elektroden aus Graphit. Dafür überzeugte das Material mit einer deutlich besseren Haltbarkeit: Auch nach knapp 1000 Ladezyklen lag die Kapazität immer noch bei rund 70 Prozent des Ausgangswerts. JAN OLIVER LÖFKEN

umwelt

Getunte Bakterien filtern Abwasser

Kann sogar Viren aus Abwasser filtern: Jörg Drewes. Foto: Robert Haas

Im bundesweiten Forschungsprojekt „TrinkWave“ untersuchen mehrere Universitäten und Industriepartner Möglichkeiten, biologische Spurenstoffe aus dem Abwasser gründlicher zu filtern. Reststoffe aus medizinischen und pharmazeutischen Produkten im Trinkwasser werden immer problematischer. So wurden etwa in Berlin bereits die Richtwerte des Epilepsie-Medikaments Gabapentin überschritten.

Projektkoordinator Jörg Drewes von der TU München will das Problem angehen, indem er Bakterien durch Entzug von Nährstoffen in eine Stresssituation bringt. So entsteht Selektionsdruck: Die Bakterien müssen neue Strategien entwickeln, um zu überleben. Durch Zugabe von Sauerstoff können die Bakterien dann bestimmte Enzyme hochregulieren und leistungsfähiger werden. So bauen sie auch hartnäckige Spurenstoffe oder Krankheitserreger ab. Andere Schadstoffe können durch Methoden wie Aktivkohle, Ozonisierung und Filtration entfernt werden. Das Verfahren wird derzeit bei den Berliner Wasserbetrieben erprobt. GREGOR HEPPEL

watchlist politik

Maut für Pkw

Das EU-Parlament hat sich für eine zeit- und kilometerabhängige Pkw-Maut ausgesprochen. Ob die Mitgliedsländer eine solche Staugebühr einführen, ist ihnen überlassen – aber wenn, dann soll das System europaweit kompatibel sein.

Gesetz gegen Abmahnungen

Die Bundestagsfraktionen der Großen Koalition haben das Kabinett aufgefordert, ein Gesetz gegen missbräuchliche Abmahnungen wegen der Datenschutzgrundverordnung zu erlassen.

Registrierung für Drohnen

Die EU verpflichtet die Mitgliedsstaaten, bestimmte Drohnen künftig zu registrieren. Die Schwelle liegt bei einer Aufprallenergie von 80 Joule bei einem Absturz. Die weiteren Details muss die EU-Kommission noch ausarbeiten.

Förderung für Breitband

Von den 3,5 Milliarden Euro Bundesförderung für den Breitbandausbau wurden bisher nur knapp 30 Millionen abgerufen. Jetzt will die Regierung das Antragsverfahren schneller und einfacher machen.

Zulassung für E-Tretroller

Noch in diesem Jahr, berichtet die Webseite NGIN Mobility, will der Bund elektrische Tretroller, Skate- und Hoverboards offiziell für den Straßenverkehr zulassen. Dafür soll eine eigene Klasse für Elektrokleinstfahrzeuge mit 12 bis 20 km/h eingeführt werden.

Pflicht für Photovoltaik

Tübingen will Solarmodule auf dem Dach für alle Neubauten vorschreiben – sofern der Aufwand vertretbar ist und sich für den Bauherrn wirtschaftlich rechnet.