Technology Review Special 2019
S. 48
Digitalisierung
Quantencomputer
Mitarbeiterinnen des IBM-Labors in New York arbeiten am Prototyp eines Quantencomputers. Foto: IBM

Das Jahr von Schrödingers Katze

2019 erreichten Quantenanwendungen die Praxis. Werden sie alles verändern? Die Antwort ist kompliziert.

Von Wolfgang Stieler

Die Welt der Quanten gilt selbst unter Fachleuten als schwer verständlich. Der Grund ist nicht die komplexe Mathematik, die der Theorie zugrunde liegt, sondern ihr permanenter Verstoß gegen den gesunden Menschenverstand: Quanten sind gleichzeitig Teilchen und Wellen, können sich in mehreren Zuständen gleichzeitig befinden und können sich in rätselhafter Art und Weise augenblicklich auch über größte Entfernungen gegenseitig beeinflussen. Damit lässt sich einiges machen:

  • Quantencomputer nutzen die Tatsache, dass Qubits gleichzeitig den Wert Null und Eins einnehmen. Damit lassen sich Probleme lösen, die klassische Computer nicht knacken können.
  • Quantensysteme sind extrem empfindlich gegenüber Störungen. Sie lassen sich also als hochempfindliche Sensoren nutzen.
  • Verschränkte Quantenzustände bilden die Grundlage für ein mathematisch beweisbar abhörsicheres Quantennetz.

Kein Wunder also, dass sich Unternehmen und Staaten weltweit von der gezielten Herstellung und Manipulation einzelner Quantenzustände ein neues technisches Zeitalter versprechen. 2018 beschloss die EU, die Quantentechnologie über zehn ­Jahre mit insgesamt einer Milliarde Euro zu fördern. 2019 sind die ersten Projekte dafür an den Start gegangen. Aber auch die ­Konkurrenz schläft nicht: Die US-Regierung will mit der ­„Nationalen Quanten-Initiative“ 1,3 Milliarden Dollar Fördermittel in den nächsten fünf Jahren bereitstellen. Und die chinesische Regierung baut ein „Nationales Labor für Quanten-Informationswissenschaft“ auf, das rund zehn Milliarden Dollar kosten soll.