MIT Technology Review 3/2019
S. 97
Fundamente
Rückschau

Fühlende Prothesen

An dieser Stelle blicken wir zurück auf Artikel, die vor fünf Jahren in Technology Review erschienen sind. Diesmal: Hirnschnittstellen

TECHNOLOGY REVIEW 3/2014: Prothesen mit direktem Anschluss an das Gehirn.

Forscher entwickeln fühlende Prothesen und Geräte zur Gedankensteuerung“, schrieb TR im März 2014. „Wir bekommen neue Sinne – und erweitern unsere Fähigkeiten.“ Einer der Protagonisten dieser Geschichte war Jan Scheuermann. 2013 hatten Forscher von der University of Pittsburgh der vom Hals abwärts gelähmten Patientin zwei winzige Chips mit je 96 Elektroden in die motorische Hirnrinde eingepflanzt. Die Signale der Neu-ronen übersetzte eine Software in Steuerbefehle für einen Roboterarm. Nach 13 Wochen Training konnte sie sich damit ein Stück Schokolade selber in den Mund stecken – eine Sensation. „Wir haben mit Jan noch zweieinhalb Jahre weitergearbeitet”, sagt Jennifer Collinger, Leiterin des Pittsburgher Projekts. „Doch die Signalqualität aus ihrer Hirnrinde hat zusehends abgenommen.“ Die Neuronen um Scheuermanns Implantat hatten begonnen, immer stärker und immer synchroner zu feuern. Das machte es dem Computerprogramm schwer, Bewegungsbefehle abzuleiten. Mittlerweile ist das Implantat planmäßig entfernt und wird von einem anderen Patienten getragen. Sechs weitere Operationen sind geplant.

Mit Signalproblemen hatten auch Thomas Stieglitz und seine Kollegen von der Universität Freiburg zu kämpfen. 2014 hatten sie im Rahmen des Projekts „Lifehand 2“ dem armamputierten Dänen Dennis Sørensen eine Schnittstelle eingepflanzt. Sie übertrug Signale von den Sensoren der Handprothese an die verbleibenden Handnerven im Armstumpf. Sørensen erlangte so ein neues Tastgefühl in den künstlichen Fingern. Doch der Körper entwickelte eine Immunreaktion gegen das Implantat, die Signalqualität nahm ab. „Um diesen Effekt zu verringern, haben wir die Nervenschnittstelle in den vergangenen Jahren extrem dünn gemacht“, sagt Stieglitz. „Heute nutzen wir ein Polymer, das so dünn ist wie Blatt gold, auf dem die metallenen Elektroden aber trotzdem gut haften.“ Mit diesem Material wollen die Forscher von Lifehand 2 in Zukunft Neuroimplantate entwickeln, die viele Jahre im Körper überstehen. Christian Honey