MIT Technology Review 4/2019
S. 106
Karriere
Ausbildung
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Industriekletterer bei Dacharbeiten an der Station der Bergbahn in Sölden (Österreich). Foto: ICS Vertical

Was macht ein Industriekletterer?

Sie hängen im Seil und arbeiten in schwindelerregenden Höhen. Das ist nicht ungefährlich.

Thomas Lillie schaut auf Menschen, die so klein erscheinen wie Spielzeugfiguren. Der 47-Jährige blickt in die Tiefe – vom 260 Meter hohen Dach der Commerzbank in Frankfurt. Dort montiert er ein riesiges Werbebanner.

Der Chef des Münchner Unternehmens ICS Vertical ist einer von schätzungsweise 3500 bis 4000 Höhenarbeitern in Deutschland. Sie arbeiten dort, wo Gerüste, Hebebühnen und Kräne nicht einsetzbar oder zu teuer sind. Industriekletterer reparieren Windräder und Mobilfunkmasten, installieren Blitzableiter an Kirchtürmen, klettern an Fassaden hoch, bringen Licht und Lautsprecher in Festhallen an und beschneiden Bäume. Bis Windstärke 6 hängen sie bei jedem Wetter im Seil.

Im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen, die in großen Höhen arbeiten, wie etwa Dachdecker, ist das Seil beim Industrieklettern keine Sicherung für den Notfall, sondern das Arbeitsmittel, ohne das nichts geht.

Der Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken (Fisat) zertifiziert Mitgliedsbetriebe, die Grund- und Fortbildungskurse für Industriekletterer anbieten. Ob Elektriker, Maler, Schweißer oder Ingenieur: Wer mindestens 18 Jahre alt ist, kann die drei Kletter- und Sicherheitstechnikkurse absolvieren, die jeweils aufeinander aufbauen.

Thomas Lillie hat mehr als 20 Jahre Erfahrung. „Ich habe mein Hobby mit dem Beruf verbunden“, sagt der drahtige Mann. Der passionierte Alpinist hat sich sein Bauingenieurstudium durch Höhenarbeiten finanziert. Heute leitet er eine weltweit agierende Firma mit zehn festen und rund 15 freien Mitarbeitern. Damit ist er jedoch eine Ausnahme. Die meisten in der Branche arbeiten als Einzelkämpfer. Zwischen 45 und 75 Euro die Stunde wird dem Kunden üblicherweise berechnet, bei besonders schwierigen Aufträgen auch deutlich mehr.

Gemessen an der körperlichen Belastung ist die Bezahlung aber immer noch nicht üppig. Industriekletterer hängen stundenlang im Seil und müssen körperlich fit sein. Neben anderen Gefahren kann es dabei zu einem Hängetrauma kommen, weil das Blut in die Beine sackt, was zu einem lebensbedrohlichen Schockzustand führen kann. Wegen der vielen Risiken und Belastungen ist für die meisten Industriekletterer mit Anfang 50 Schluss. Doch es gibt Ausnahmen: „Mein ältester Mitarbeiter“, sagt Lillie, „ist 62 Jahre alt.“ JOSEPH SCHEPPACH

GEHÄLTER

Digitalisierung drückt Lohnquote

Zwischen 2008 und 2016 sind Beschäftigten in deutschen Dienstleistungsunternehmen Lohnzuwächse von elf Milliarden Euro entgangen. Grund ist die Unternehmenskonzentration in dem Bereich. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Bertelsmann Stiftung. Verantwortlich für die Entwicklung seien vor allem „Superstar“-Firmen in digitalisierten Märkten, die ihre Produkte und Dienstleistungen besonders effizient und mit wenig Personal herstellten. Diese Firmen erhöhten ihre Löhne nicht im gleichen Maß wie ihre Gewinne. Dadurch sinkt die Lohnquote. Andere Unternehmen senkten gleichzeitig die Löhne, um Kosten zu sparen und sich so im Wettbewerb behaupten zu können.

In digitalen Märkten ist der Rückgang der Lohnquote teilweise doppelt so groß wie in analogen. In der Energie- und Finanzbranche stiegen die Löhne dagegen – aufgrund der abnehmenden Unternehmenskonzentration. KARSTEN SCHÄFER

INNOVATIONEN

Deutsche sind neugierig

Deutsche Arbeitnehmer sind neugieriger als die in den USA oder in China (siehe Grafik rechts). Zu diesem Ergebnis kommt die Neugier-Studie von Merck, die gerade zum zweiten Mal erschienen ist. Für die Studie wurden je tausend Arbeitnehmer in Deutschland, China und den USA befragt. Vier Charaktereigenschaften im Zusammenhang mit Neugier und Neuem hat die Studie abgefragt und ermittelt: die „Entdeckerfreude“, also den Spaß beim Aneignen von neuem Wissen, den „Antrieb durch Wissenslücken“, also das Lösen von Problemen, um Wissenslücken zu schließen, die „Offenheit für Ideen anderer“, also das Interesse an Ideen anderer bei der Lösung von Problemen, und die „Anspannungstoleranz“, also die Bereitschaft, sich dem Unbehagen zu stellen, das beim Erkunden von Neuem und Unbekanntem auftritt.

Im Generationenvergleich haben die Millennials (1982–1995) die höchsten Werte bei Entdeckerfreude, Antrieb durch Wissenslücken und Anspannungstoleranz. Die Generation Z (nach 1995) hatte dagegen die niedrigsten Werte bei Antrieb durch Wissenslücken und Anspannungstoleranz. KARSTEN SCHÄFER

Indexwerte für Neugier bei Arbeitnehmern nach Land

Studiengänge

Die Technische Hochschule Köln bietet zum Wintersemester 2019/2020 den neuen Bachelor-Studiengang Code & Context an und verknüpft damit die Bereiche Coding, Design und Entrepreneurship. Der Studiengang soll Studierende auf die gesellschaftlichen, technischen und ökonomischen Anforderungen einer digitalisierten Welt vorbereiten. Das Studium ist projektorientiert und fächerübergreifend. Bewerbungsschluss: 31. Mai 2019. Link: bit.ly/2Y0ULmS

 

Die Duale Hochschule Baden-Württemberg in Heidenheim startet zum Wintersemester 2019/2020 den neuen Bachelor-Studiengang BWL – Digital Business Management. Im Fokus des dreijährigen Studiengangs stehen das Verständnis für digitale Transformationsprozesse und die dafür nötigen IT-Kenntnisse sowie die Besonderheiten von digitalen Geschäftsmodellen. Studienbeginn ist der 1. Oktober 2019. Voraussetzung ist ein Vertrag mit einem Industriepartner. Link: bit.ly/2Oecdyj

 

Die Universität Luxemburg bietet zum Wintersemester 2019/2020 den neuen englischsprachigen Studiengang Interdisciplinary Space Master an. Der Studiengang soll sowohl technische als auch wirtschaftliche Aspekte der Raumfahrt lehren, von der Raketentechnik über Wertschöpfungsketten bis hin zur Betriebswirtschaft von Raumfahrtunternehmen. Das Bewerbungsverfahren läuft und bietet 20 Plätze pro Jahr. Die Studiengebühren betragen 2000 Euro pro Semester. Link: bit.ly/2FpdBNh