MIT Technology Review 4/2019
S. 113
Fundamente
Rückschau

Fliegender Selfie-Stick

An dieser Stelle blicken wir zurück auf Artikel, die vor fünf Jahren in Technology Review erschienen sind. Diesmal: Neue Aufgaben für Drohnen

TECHNOLOGY REVIEW 4/2014 Profis und Amateure haben aufgerüstet.

In fünf Jahren hat jeder eine Drohne in der Tasche“, zitierte TR im April 2014 Bart Remes von der TU Delft. Auf der TED-Konferenz in Amsterdam hatte der Forscher damals eine kleine Drohne gezeigt, die keine Rotoren hatte, sondern Flügel wie eine Libelle. Mit nur 20 Gramm Gewicht sollte sie so gefahrlos um uns herumfliegen können. Er stellte sie sich als persönliche Lotsen in unübersichtlichen Gebäuden vor oder als unterhaltsame kleine Fee im Vergnügungspark.

Die kleinen Libellen schwirren noch nicht um uns herum, aber weiter oben, bis 100 Meter, haben konventionelle Drehflügel-Drohnen den Luftraum schon erobert. Kaum ein Action- oder Abenteuervideo – auch von Amateuren – kommt mehr ohne Aufnahmen aus der Luft aus. Die Flugmanöver erledigen dabei schon die günstigsten Modelle, zum Beispiel vom Marktführer DJI, automatisch. Deutlichstes Anzeichen dafür, dass Drohnen mittlerweile zu einem Massenphänomen geworden sind, zu einer Art schwebendem Selfie-Stick: Viele Sehenswürdigkeiten weisen sich selbst als „No Drone Zone“ aus.

Auch die Hinderniserkennung, die 2014 Forschern noch Kopfzerbrechen bereitete, ist weit vorangekommen: So erspäht die Skydio R1 (TR 7/2017, S. 44) mit insgesamt zwölf Kameras Hindernisse in allen Richtungen und weicht sogar dünnen Ästen aus, während sie automatisch etwa einen Radfahrer filmt.

Bei industriellen Anwendungen ist inzwischen ein hoher Grad an Professionalisierung erreicht. Mit hochauflösenden Infrarot- oder Wärmebildkameras lassen sich Baustellen, Tagebaue oder Raffinerien während des Betriebs überprüfen. Die Software dazu liefert unter anderem das Unternehmen 3D-Robotics, das 2014 noch eigene Drohnen produzierte. Jetzt bietet es ein Paket für alles an von der Flottenverwaltung über Flugplanung und Anmeldung bei Behörden bis zur Durchführung automatischer Flüge.

Und auch ganz weit oben dringen autonome Drohnen in den Luftraum vor. Was 2014 noch eine bloße Ankündigung war, nimmt konkrete Formen an: Die britische Vermessungsbehörde Ordnance Survey will gemeinsam mit dem Start-up Astigan bis Ende 2019 eine Tragflächendrohne mit Solarpaneelen bis zu 90 Tage am Stück in bis zu 20000 Metern Höhe kreisen lassen. HANS DORSCH