MIT Technology Review 4/2019
S. 18
Aktuell

Plasma aus Trauben

Foto: Hamza K. Khattak, Pablo Bianucci u. Aaron D. Slepkov/Trent University

Wie macht man Plasma? Es ist ein YouTube-Phänomen: Einfach eine Traube so aufschneiden, dass die Haut die beiden Hälften an einer Stelle gerade noch zusammenhält. Dann für zehn Sekunden in die Mikrowelle. Schon flackert das leuchtende Gas aus geladenen Partikeln über dem Obst. Forscher der Trent University in Peterborough, Kanada, lieferten nun erstmals mit Wärmebildtechnik und Murmeln die richtige Erklärung für dieses Phänomen: Die Traubenhälften bilden einen Hohlraum, der die Mikrowellenstrahlung an der Brücke aus Fruchthaut bündelt. Das ionisiert Kalium- und Natriumatome in der Traubenhaut – und Plasma entsteht.

BIOTECH

Geimpfte Mäuse sehen Infrarot

Genau wie Menschen können auch Mäuse kein infrarotes Licht sehen. Chinesische Forscher haben das nun geändert. Tian Xue und seine Kollegen von der University of Science and Technology in Heifei entwickelten Nanopartikel, die sie Mäusen unter die Netzhaut spritzten, wo sie infrarotes in sichtbares Licht umwandeln. Spezielle Proteine sorgen dafür, dass die Partikel nach der Injektion an Lichtrezeptoren der Netzhaut andockten. Mit mehreren Tests konnten die Forscher zeigen, dass die Versuchstiere infrarote Muster beispielsweise zur Orientierung nutzten. Die Wirkung der Injektion hielt bis zu zehn Wochen lang an (DOI: 10.1038/d41586-019-00735-4). 2015 war US-Forschern das erstmals an Ratten gelungen. Dazu mussten die Tiere jedoch Sensoren tragen, die mit Elektroden im Hirn verbunden waren.

Die chinesichen Wissenschaftler können sich vorstellen, auch Menschen diese erweiterte Sehfähigkeit zu verleihen. Zum Einsatz kommen könnte sie sowohl in militärischen Szenarien als auch in neuartigen Computerschnittstellen für sicherheitskritische Anwendungen. Auch medizinische Anwendungen halten sie für denkbar. Einstweilen können die Nanopartikel aber noch nicht an Menschen getestet werden, denn sie enthalten giftige Schwermetalle. WOLFGANG STIELER

MEDIZIN

Bluttest für Schmerzen

Wollen Ärzte einschätzen, wie starke Schmerzen ein Patient hat, müssen sie sich bisher auf dessen subjektive Aussage stützen.

Damit lassen sich Schmerzmittel allerdings nicht besonders genau dosieren. Forscher um Alexander Nicolescu von der Indiana University School of Medicine haben deshalb einen Bluttest entwickelt, der den Schmerzgrad anhand von Biomarkern im Blut bestimmt (doi.org/10.1038/s41380-018-0345-5).

Nicolescus Team untersuchte zunächst je zwei Blutproben von 28 Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen, deren Begleitsymptome häufig starke Schmerzen sind. Die Blutproben wurden jeweils zu Zeiten entnommen, zu denen die Probanden ihre Schmerzen auf einer Skala von eins bis zehn als niedrig (Wert: 0-2) beziehungsweise als sehr hoch beschrieben (6-10).

Aus den Blutproben ermittelten die Forscher 65 Biomarker-Kandidaten. Ihre Konzentration im Blut gab Aufschluss über die Stärke des Schmerzempfindens. Abhängig vom Geschlecht und der Diagnose der Patienten ließen sich fünf Biomarker für eine Vorhersage des Schmerzempfindens anhand der Blutwerte nutzen.

Außerdem überprüften die Wissenschaftler, welche der Biomarker bereits als Zielmoleküle für Medikamente bekannt waren. Sie fanden 13 neue, schmerzlindernde Ansatzpunkte für bereits existierende Medikamente und Wirkstoffe. Veronika SZENTPÉTERY-KESSLER

APP DES MONATS

8-Bit-Melodien aus dem Handy

„Nanoloop“ war der erste Echtzeit-Sound-Editor für den Gameboy in den Neunzigern. Genauso viel Retro-Charme bietet die gleichnamige Smartphone-App. Mit ihr lassen sich 8-Bit-Melodien komponieren.

Beim ersten Öffnen steht der Nutzer ziemlich allein da. Auf einer 4x4-Matrix hüpft ein grauer Marker kommentarlos von Feld zu Feld, daneben zahllose Knöpfe. Die hinter einem Fragezeichen verborgene Kurzanleitung reißt die Funktionen nur knapp an. Erst nachdem man sich mit YouTube-Tutorials in die Bedienung eingefuchst hat, offenbart sich Nanoloops breites Funktionsspektrum.

Das Grundprinzip ist simpel: Melodien und Rhythmen werden auf der Matrix, einem sogenannten Pattern, komponiert. Töne kann ich durch Tippen auf den 16 Matrixfeldern platzieren. Sie erklingen, wenn der wandernde graue Marker das jeweilige Feld erreicht. Für bis zu acht verschiedene Kanäle lassen sich je acht Patterns entwerfen und anschließend mit Loops oder dem Arrangement-Tool zusammenstellen. Der Klang jedes Kanals ist individuell regulierbar. Auch importierte Klänge und kurze Aufnahmen sind möglich. Tools zum Transponieren, Oktavieren und Effekte wie Panning und Fade machen die Anwendung zum hochwertigen Sequenzer. Fertige Kompositionen lassen sich exportieren. Was kompliziert klingt, sollte Musik-Laien nicht abschrecken. Auch sie können schnell kleine Stücke erstellen. Um das ganze Potenzial der App ausschöpfen zu können, ist musikalisches Basiswissen jedoch empfehlenswert. Nanoloop kostet für Android 3,59 Euro, für iOS 4,49 Euro. Auf dem Smartphone ist die Bedienung recht fummelig, es empfiehlt sich ein Tablet. COSIMA ERMERT

MEDIZIN

Fälschungssicher durch Blockchain

Atul Butte will medizinische Studien nachvollziehbarer machen. Foto: Elisabeth Fall/ UCSF

Klinische Studien bieten viele Einfallstore für Manipulationen: Hier ein wenig die Erfolge frisieren, dort etwas an den Nebenwirkungen schrauben – fertig ist das gewünschte Ergebnis. Forscher der University of California in San Francisco wollen so etwas nun mithilfe der Blockchain unterbinden (DOI: 10.1038/s41467-019-08874-y).

In Blockchains, der zugrundeliegenden Technik von Kryptowährungen wie Bitcoin, werden abgeschlossene Transaktionen fälschungssicher archiviert. Dieses Prinzip machten sich die Medizin-Informatiker Atul Butte und Daniel Wong zunutze. Sie bauten eine Webseite, in der Forscher die Rohdaten und Ergebnisse ihrer Versuche eintragen konnten. Jeder Eintrag wird dann, mit einem Zeitstempel versehen, in einer Blockchain verschlüsselt. Fehlerhafte Daten lassen sich zwar weiterhin korrigieren, aber das wird genau protokolliert. Nachträgliche Manipulationen der Daten würden Behörden, Geldgebern und Forschungspartnern deshalb sofort auffallen.

Die Forscher hoffen, so auch die Weitergabe von Rohdaten unter Forschern zu erleichtern. Dagegen, dass von vornherein falsche Daten eingegeben werden, bietet das System allerdings keinen Schutz, wie die Forscher zugeben. Gregor HONSEL

PSYCHOLOGIE

App gegen Einsamkeit

Illustration: Shutterstock

Einsame Menschen werden leichter krank und sterben früher. Deshalb haben Forscher der Carnegie Mellon University mit Kollegen eine App entwickelt, die Isolation bekämpfen soll (https://doi.org/10.1073/pnas.1813588116). Um sie zu testen, wurden 153 Probanden zufällig in drei Gruppen eingeteilt. Alle Teilnehmer wurden befragt, wie gesellig sie waren und wieviel Zeit sie in sozialen Netzwerken verbrachten. Anschließend wurden sie wiederholt per SMS gefragt, ob und mit wem sie gerade etwas unternehmen.

Eine Gruppe erhielt von der App Ratschläge zur Stressbewältigung. Die zweite erlernte auch eine Meditationstechnik. Die dritte erhielt zusätzlich die Anweisung, zu allen ihren Eindrücken und Gefühlen laut „Ja“ zu sagen. Das sollte ihre Gelassenheit schulen. Bei den ersten beiden Gruppen änderte sich wenig. Die Mitglieder der dritten Gruppe hingegen hatten sich deutlich öfter mit anderen getroffen – und gaben an, sich weniger einsam zu fühlen. Studienleiter David Creswell zufolge lehre die Gelassenheits-Übung, sich selbst weniger zu verurteilen – denn dies führe dazu, sich zurückzuziehen. VERONIKA SZENTPÉTERY-KESSLER

watchlist politik

Japan erlaubt Mensch-Tier-Hybride

Die japanische Regierung hat Forschern nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP erlaubt, Tier-Embryonen spezielle menschliche Stammzellen einzupflanzen und diese Embryonen dann von Tieren austragen zu lassen. So sollen sich mehr Spenderorgane gewinnen lassen.

Schutz für Whistleblower

Die EU hat einen besseren Schutz für interne Hinweisgeber etabliert. Diese müssen nun nicht mehr drei Monate warten, bis sie Missstände bei Behörden melden können. Zudem liegt die Beweislast nicht mehr bei ihnen, sondern bei ihrem Arbeitgeber. Auch Hinweise zu Steuervergehen unterliegen dem Schutz.

Digitalpakt beschlossen

Nach dem Bundestag hat auch der Bundesrat dem „Digitalpakt Schule“ zugestimmt. Dazu musste das Grundgesetz geändert werden. Nun darf der Bund die Digitalisierung an Schulen fördern, obwohl das eigentlich Ländersache wäre.

Überwachung von Fahrverboten

Die Länder haben zwei Gesetzen der Bundesregierung rund um mögliche Diesel-Fahrverbote zugestimmt. Zum einen sollen Fahrverbote nur dann in Betracht kommen, wenn die NOx-Werte mehr als 10 Mikrogramm über dem EU-Grenzwert liegen. Zum anderen wurde die Überwachung etwaiger Fahrverbote konkretisiert: Kommunen dürfen demnach stichprobenartig mit mobilen Scannern die Kennzeichen aller durchfahrenden Autos erfassen und abfragen. Die Daten sind spätestens nach zwei Wochen zu löschen. Die Technik ist allerdings noch nicht einsatzbereit.