MIT Technology Review 4/2019
S. 15
Aktuell

ENERGIE

Stromnetzpuffer von Daimler

Lithium-Ionen-Batterien sollen künftig auch außerhalb von Autos ihren Dienst verrichten. Foto: Daimler

Gemeinsam mit dem Stromnetzbetreiber Tennet hat Daimler demonstriert, dass Auto-Akkus die Stromnetze stabilisieren können. Dazu haben sie ein Pilotprojekt namens Enera aufgelegt, das unter anderem vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert wird.

Der Batteriespeicher der Pilotanlage enthält sowohl Batterien, die als Ersatzteile vorgehalten werden, als auch ausgemusterte Akkus aus Elektroautos. Die Anschlussleistung beträgt ein Megawatt, die Kapazität 750 Kilowattstunden. Nach Angaben von Tennet und Daimler gelang es nachzuweisen, dass sich Lithium-Ionen-Akkus aus Autos „für eine hochdynamische Systemstützung“ des Stromnetzes eignen. Damit könnten sie die trägen Massen von Großkraftwerken ersetzen. Wie wirtschaftlich das ist, muss sich noch erweisen.

Weiterhin habe man demonstrieren können, dass die Pufferspeicher auch dazu nutzbar sind, Kraftwerke nach Systemausfällen wieder anzufahren. Derzeit sind dazu Dieselaggregate notwendig. BEN SCHWAN

RAUMFAHRT

Triebwerk aus 3D-Drucker

Demonstrator für das Triebwerk Foto: ArianeGroup Holding/Alpensektor

Ende Februar hat die Esa das erste europäische Raketentriebwerk aus dem 3D-Drucker erfolgreich getestet. Die ArianeGroup in Ottobrunn hat das Aggregat komplett im 3D-Druck aufgebaut. Dabei wird der pulverförmige Werkstoff von einem Laser aufgeschmolzen und Schicht für Schicht aufgetragen.

Auf diese Weise lassen sich viel komplexere Strukturen fertigen, die mit konventionellen Verfahren nicht möglich wären. So verfügt das Triebwerk über eine bessere Kühlung, weil ein ganz neues Design der Kühlkanäle möglich wurde.

Außerdem lassen sich mit 3D-Druck die üblichen Produktionszeiten von bis zu eineinhalb Jahren auf wenige Wochen verkürzen. Die getesteten Verfahren sollen für die Weiterentwicklungen der Ariane-6-Triebwerke Vinci und Vulcain eingesetzt werden. KARSTEN SCHÄFER

GESUNDHEIT

Alexa statt Klingelknopf

Statt Klingel – Amazons Echo Dot im Krankenzimmer links an der Wand. Foto: Cedars-Sinai

Das Krankenhaus Cedars-Sinai in Kalifornien hat in einem Pilotprojekt mehr als 100 Zimmer mit Amazon Echos ausgestattet, um motorisch eingeschränkte Patienten besser zu unterstützen.

Zum einen kommt Amazons eigener Sprachassistent Alexa zum Einsatz. Er steuert dabei vornehmlich die Unterhaltungselektronik im Zimmer. Daneben gibt es einen speziell für den Pflegebereich entwickelten Sprachassistenten des Start-ups Aiva Health. Möchte ein Patient beispielsweise zur Toilette gebracht werden, leitet Aiva die Anfrage auf das Smartphone der zuständigen Pflegekraft. Fragt ein Patient nach einem Medikament, wird diese Bitte an den berechtigten Mitarbeiter geschickt. Erfolgt innerhalb einer gewissen Zeit keine Reaktion, richtet Aiva die Anfrage an den nächst höhergestellten Mitarbeiter. Die Plattform konnte im Accelerator-Programm des Cedars-Sinai im Jahr 2017 überzeugen und wurde in der Folge weiterentwickelt und getestet. Aiva läuft nicht nur auf Amazon Echo, sondern auch auf Google Home und kann auch zu Hause oder in Seniorenunterkünften genutzt werden. JENNIFER LEPIES

OPTIK

Farben aus farblosen Tropfen

So bunt können farblose Tropfen aussehen – dank der Überlagerung von Lichtwellen. Foto: L. Zarzar et al/ PSU

Pfauenfedern und Schmetterlingsflügel verdanken ihre Farbenvielfalt nicht Pigmenten, sondern nanoskaligen Strukturen. Diese lassen sich im Labor aufwendig nachbauen. Einfacher geht es jedoch mit farblosen Tropfen. Wie Lauren Zarzar und ihre Kollegen von der Pennsylvania State University nun entdeckt haben, erzeugen mikrometerkleine Tropfen auf einer Oberfläche je nach Form und Einfallswinkel des Lichts kräftige Farbeindrücke von Blau über Grün bis Gelb und Rot (DOI: 10.1038/s41586-019-0946-4).

Die Ursache: Dringen Lichtwellen in den Tropfen ein, werden sie wie in einem Glasfaserkabel an der Innenseite reflektiert – und zwar je nach Einfallswinkel für jede Wellenlänge an mehreren Orten. Stimmen an einem Ort auf der Oberfläche die Phasen verschiedener Lichtwellen einer Wellenlänge überein, kommt es zu einer farbverstärkenden Überlagerung.

Neben Wasser untersuchten die Forscher verschiedene andere farblose Flüssigkeiten. Jede wies einen anderen Brechungsindex auf, der Einfluss auf die Farbgebung hatte. Auch Größe und Form der Tropfen beeinflussten die Effekte. Das Prinzip lässt sich auch mit transparenten und farblosen Kunststoffnoppen auf einer Oberfläche nachbauen. Diese wären dauerhafter als flüssige Halbtropfen. Anwendungen sehen die Forscher in Sensoren und Displays. JAN OLIVER LÖFKEN

ENERGIE

Eierschalen zu Stromspeichern

foto: M. Balzer/ KIT

Superkondensatoren können schnell Strom aufnehmen und wieder abgeben. Als Material für die Elektroden wird meistens Aktivkohle oder Graphit genutzt. Doch auch Eierschalen eignen sich dafür. Dies konnte ein Team um Maximilian Fichtner vom Helmholtz-Institut Ulm mit dem Prototyp eines Lithium-Ionen-Kondensators zeigen (DOI: 10.1039/c8dt03252a).

Die Forscher mahlten Eierschalen mitsamt ihrer hauchdünnen, proteinreichen Fasermembran zu einem feinen, elektrisch leitfähigen Pulver mit einer hohen Kapazität von bis zu 232 Farad pro Gramm. Dieses Pulver bestand fast ausschließlich aus Calciumcarbonat, an das Lithium-Ionen effizient andocken konnten.

Der Prototyp mit einer Elektrode aus Eierschalenpulver behielt nach 1000 Ladezyklen noch 92 Prozent seiner ursprünglichen Speicher-kapazität – für die Forscher ein verblüffend hoher Wert. Eier-schalen könnten damit zu einem nachhaltigen Rohstoff avancie-ren, der für eine Entsorgung als Biomüll viel zu schade ist. JAN OLIVER LÖFKEN

MEDIZIN

Herzschrittmacher mit Kernenergie

Herzschrittmacher müssen alle sechs bis zehn Jahre ausgewechselt werden, da der Akku den Geist aufgibt. Die russischen Unternehmen Tvel und MCC wollen nun eine winzige Nuklearbatterie bauen, die bis zu 50 Jahre halten soll. Die Idee ist nicht neu: In Russland verwendete man noch bis in die 80er-Jahre Batterien, die hochgiftiges Plutonium-238 nutzten.

Der neue Ansatz ist da harmloser: Er basiert auf dem hoch angereicherten radioaktiven Isotop Nickel-63, das auf eine Halbleiteroberfläche aufgebracht wird. Beim Zerfall des Radionuklids wird Wärme frei, die sich wiederum mittels Thermogeneratoren in Strom umsetzen lässt.

Die beim Prozess entstehende Betastrahlung ist für den Körper nicht gefährlich, denn sie lässt sich mit einer simplen Kunststoffeinfassung abschirmen. Gammastrahlung entsteht nach Angaben der Hersteller nicht.

Das Konsortium hat einen Rekord-Anreicherungsgrad von 69 Prozent erreicht. Die Forscher wollen ihn noch auf 80 Prozent steigern. Neben medizinischen Implantaten lässt sich der Akku auch in Telekommunikationsgeräten, Raumfahrttechnik oder militärischen Systemen nutzen. BEN SCHWAN