MIT Technology Review 4/2019
S. 26
Am Markt

AUSPROBIERT

Zwischen Radweg und Straße

Das Liegedreirad Scorpion 26 fs S-Pedelec ist ein Flitzer, der Spaß macht – aber leider nur, wenn man sich über die Straßenverkehrsordnung hinwegsetzt.

Einem Liegedreirad nähert man sich am besten von vorn. Ein Bein links, das andere rechts neben den Tretlagerausleger gestellt und dann einfach hinsetzen wie in einen Sessel. Füße nach vorn oben auf die Pedale und die Hände an die senkrechten Lenkgriffe links und rechts. Am rechten Griff ist die Bedieneinheit des Elektroantriebs angebracht. Ich wähle Stufe 5 – maximale Unterstützung – und löse die Feststellbremse unten am linken Lenkgriff. Ein leichter Tritt in die Pedale, und das Scorpion setzt sich flott in Bewegung.

Auf dem rechten Steuergriff sitzt der Hebel für das Kettenschaltwerk am Hinterrad. Ich drücke den Hebel nach vorn und bin kurz darauf im höchsten Gang. Mit wenig Druck in die Pedale lassen sich leicht Tempo 35 und mehr erreichen. Gewöhnungsbedürftig ist die Lenkung. Obwohl sehr exakt, sind meine Lenkausschläge anfangs zu groß. Ich muss mich erst daran gewöhnen, den Lenker des Dreirads sehr behutsam anzufassen – und das umso mehr, je schneller das Gefährt wird. In Kurven ist die niedrige Sitzposition trügerisch. Denn das Scorpion legt sich als Dreirad weder in die Kurve, noch rutscht es weg wie ein Auto: Es droht umzukippen. Das kurveninnere Rad hebt bei flotter Fahrt leicht mal ab. Das ist zuerst überraschend, ich kann es aber durch leichtes Öffnen der Kurve oder kurzes Bremsen sofort kontrollieren.

Auf mehr als 44,5 Stundenkilometer habe ich es trotz größter Anstrengung allerdings nicht gebracht. Die Unterstützung schaltet dann komplett ab. Das ist natürlich eine Geschwindigkeit für die Straße, auf der man mit einem S-Pedelec laut Gesetzgeber sowieso fahren muss. Dort ist man mit einem Dreirad und Reisegeschwindigkeiten zwischen 35 und 40 aber ein ziemliches Hindernis, und weil es auch noch ein Liegerad ist, ist man trotz guter Rück- und Bremslichter leicht zu übersehen. In Wohngebieten mit Tempo 30 ist das Scorpion auf der Straße genau das richtige Verkehrsmittel, auf großen Straßen mit höheren Geschwindigkeiten dagegen kaum. Zumal man mit der Nase direkt auf Auspuffhöhe ist, was das Anfahren hinter einem Auto zu einer besonders unangenehmen Sache macht. Auch neben Autos fühle ich mich unwohl und bin nie sicher, ob ich gesehen oder gleich abgedrängt werde oder vielleicht eine Tür an den Kopf kriege. Also fahre ich meist auf dem Radweg, wie die meisten S-Pedelec-Fahrer auch. Das geht selbst mit dem Scorpion-Dreirad, das kaum breiter als ein Fahrradanhänger ist. Kleiner Unterschied: Mit einem Fahrradanhänger wird man meist überholt, mit dem Scorpion möchte man überholen, und dabei kann es schon mal eng werden.

Fazit: Auf den richtigen Wegen macht das Scorpion sehr viel Spaß. Leider ist es oft weder auf der Straße noch auf dem Radweg richtig aufgehoben. Außerdem war mir beim Fahren (bei rund zehn Grad Celsius) ständig kalt – im Gegensatz zum Fahren mit meinem herkömmlichen Aufrechtrad. Schließlich bekomme ich bei weniger Anstrengung mehr Fahrtwind ab, der einem auch noch die Beine hoch in den Schritt weht.

produkt: Scorpion fs 26 S-Pedelec hersteller: HP Velotechnik preis: ab 8990 Euro Link: hpvelotechnik.com