MIT Technology Review 5/2019
S. 54
TR Mondo

tr mondo

Japan

Roboter soll Interesse an Religion wiedererwecken

Äußerlich erinnert der androgyne Android an die erbarmungslose Cyborg-Königin aus der „Star Trek“-Serie. Tatsächlich aber könnte der Gegensatz nicht größer sein: Der Roboter namens Mindar soll Kannon Bodhisattva darstellen, die buddhistische Göttin des Mitgefühls. Anfang Mai hielt Mindar im altehrwürdigen Kodaiji-Tempel in Kyoto vor Mönchen und Journalisten die erste Predigt über die Herz-Sutra, eine zentrale religiöse Schrift der buddhistischen Lehre. Dabei beantwortete die Maschine auch Fragen, die ihr Menschen per an die Wand projizierten Videos stellten. Die englischen und deutschen Übersetzungen ihrer Antworten wurden ebenfalls an die Wand gebeamt. Mindars Mission: bei jungen Menschen wieder mehr Interesse für den Buddhismus zu wecken.

Die Idee stammte vom Tempel-Verwalter Tensho Goto. Er sicherte sich die Hilfe des renommierten Roboterforschers Hiroshi Ishiguro (siehe TR Online: https://bit.ly/2GfsK4i) sowie von Kohei Ogawa, Professor für Intelligente Robotik an der Osaka Universität. Sie hielten Gesicht und Gestalt des Roboters bewusst androgyn, damit jeder selbst entscheiden kann, ob er einen Mann oder eine Frau sehen will. Während Kopf und Hände durch eine Kunsthaut relativ natürlich wirken, wurden die weiteren Maschinenteile bewusst nicht in einem Gehäuse versteckt.

Im Kodaiji-Tempel von Kyoto leitet Roboter Mindar eine Andacht für die Mönche. Foto: Jiji Press Photo/ Ullstein Bild

Mindars Beine bestehen aus einem unbeweglichen Metallsockel, doch ihren Oberkörper bewegt sie bemerkenswert natürlich. Das Zusammenspiel von Gestik und Mimik stimmt, sie blinzelt sogar. Mit einer Kamera im linken Auge erkennt Mindar Besucher und kann ihnen auf diese Weise das Gefühl von Augenkontakt geben.

Zwar seien nicht alle Mönche von Gotos Projekt begeistert, das etwa 800000 Euro gekostet hat, schreibt das Online-Magazin „The Diplomat“. Trotzdem fanden sich genug Unterstützer, die an der öffentlichen Zeremonie mit Gesang, rituellen Verbeugungen, Trommeln und Glocken teilnahmen. Ogawa findet die Personifizierung durch einen Roboter auch deshalb passend, weil die Mönche auf viele Tempelgänger bei der Rezitation der Texte ohnehin sehr mechanisch wirkten. „Sie diskutieren die wahre Bedeutung der Herz-Sutra nicht, sondern lesen sie einfach vor“, sagte er gegenüber „The Diplomat“.

Mindar soll noch bis zum 8. Mai zu besichtigen sein, danach wollen die Forscher die Erfahrungen auswerten und eventuell Updates vornehmen. In Zukunft könnte die Roboter-Göttin zum Beispiel Interaktionen nicht nur imitieren, sondern tatsächlich mit den Besuchern interagieren und nicht nur programmierte Fragen beantworten.

VERONIKA SZENTPÉTERY-KESSLER

Sambia

Chili-Granaten gegen Elefanten

Mit Tischtennisbällen auf Elefanten zu schießen klingt ziemlich aussichtslos. Befüllt man die Bälle allerdings mit Chili-Öl, werden sie zu recht effektiven Waffen. Bei Treffern zerplatzen die Bälle auf der dicken Elefantenhaut, und die Chili-Dämpfe lassen die geruchsempfindlichen Tiere – unter den richtigen Umständen – abdrehen.

Auf diese Weise vertreiben Bauern im sambischen Luangwa-Tal die riesigen Dickhäuter, bevor sie auf den Maisfeldern große Schäden anrichten können. Nacht für Nacht stehen die Bewohner auf Wachtürmen mit einer Art selbst gebauten Bazooka am Rande der Felder. Die Waffen bestehen aus zwei unterschiedlich dicken Abflussrohren. Das breite Rohr dient als Tank und Explosionskammer, das dünne als Lauf. Erspähen die Wachen Elefanten, beladen sie den Lauf mit einem präparierten Tischtennisball. Anschließend sprühen sie butanhaltiges Insektenspray in die Explosionskammer und schrauben sie zu. Sind die Tiere nah genug, lösen die Chili-Schützen per Piezozünder an der Kammer eine Explosion des Gasgemisches aus.

„Das erzeugt einen ziemlich starken Druck, die Bälle fliegen bis zu 150 Meter weit“, sagt die Umweltwissenschaftlerin Eva Gross von der Universität Frankfurt. Weil aber oft Büsche und Sträucher im Weg sind und die Tischtennisbälle im Bogen fliegen, liege die praktische Reichweite eher bei rund 30 Metern. „Das reicht zur Not auch zum Weglaufen, wenn man danebenschießt.“

Foto: Eva Gross
Zielübungen mit den Plastikkanonen (l.), die mit Chilli-Öl befüllte Tischtennisbälle abschießen (r.). Foto: Eva Gross

Gross berät seit mehr als zehn Jahren im Dienste verschiedener Naturschutzorganisationen Menschen über das mitunter enge Zusammenleben mit Elefanten. Seit drei Jahren bildet sie die Bewohner im Luangwa-Tal im Bau und Einsatz der Chili-Kanonen aus. „Das ursprüngliche Gerät hat Mike La Grange von der Firma African Wildlife Management & Conservation in Simbabwe entwickelt, er nannte es Mphirimphiri-Bomber“, erzählt sie. Gemeinsam mit der französischen Umweltorganisation Awely, der TU Darmstadt und dem Julius-Kühn-Institut in Dossenheim hat sie es für den Einsatz in Sambia angepasst – unter anderem, indem sie den nässeempfindlichen Taser, der ursprünglich als Zünder diente, durch ein Piezoelement ersetzte, das auch während der Regenzeit funktioniert.

Entscheidend für den Erfolg ist, dass man Elefanten noch vor ihrem ersten Maisgenuss erwischt. „Elefanten sind hochintelligent und lernen schnell, was für sie schädlich und was nur ärgerlich ist“, sagt Gross. Seien sie einmal auf die Felder gelangt, sei die Belohnung zu groß, als dass die Chili-Geschosse dann noch viel ausrichten könnten. Zudem müssen noch weitere Bedingungen erfüllt sein: Zum einen brauchen Elefanten ausreichend alternative Futterquellen. Zum anderen müssen die Anwohner motiviert sein, sich für die durchaus riskante Abwehr abwechselnd die Nächte um die Ohren zu schlagen.

Am Chili wird das Projekt jedenfalls nicht scheitern: Im Luangwa-Tal bauen die Bewohner neben Mais sowieso im großen Stil Chilis zum Verkauf an. Müssten sie zum Beispiel erst anfangen, Bienen zu züchten, um sie an den Zäunen um die Felder als Abwehr anzusiedeln, nähmen sie die Methode oft nicht an, so Gross. Auch Ausgleichszahlungen der Regierung für Ernteausfälle dämpften den Anreiz, die Felder aufwendig zu verteidigen.

Andere Maßnahmen wie mit Chili- und Motoröl beschmierte Zäune oder laute Geräusche klappen zwar anfänglich gut, halten die schlauen Tiere aber oft nur vorübergehend ab, ergänzt Elefantenforscherin Phyllis Lee von der University of Stirling. „Sie gewöhnen sich an negative Stimuli und werden zunehmend gefährlich. Wir brauchen bessere Wege, damit Menschen und Elefanten nebeneinander existieren können.“

VERONIKA SZENTPÉTERY-KESSLER