MIT Technology Review 5/2019
S. 12
Aktuell

Interview

Bienen mit Barcode

Der Informatiker Tim Landgraf leitet das Biorobotik-Labor der FU Berlin. Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe erforscht biologische Systeme mithilfe von Robotern. Foto: FU Berlin

TR: Sie erforschen das Verhalten von Bienen mithilfe von Robotern und KI. Warum?

Tim Landgraf: Bienen sind sehr schlaue Tiere, die interessantes Verhalten zeigen. Das tun sie sowohl im Schwarm als auch als Individuen, zum Beispiel in der Navigation. Zur Erforschung dieser Sachverhalte brauchen wir Instrumente, die die Biologie nicht hatte. Also haben wir sie entwickelt.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Was passiert, wenn eine Biene ausfliegt? Sie sucht Futter, findet Futter und bringt es zurück zum Bienenstock. Wenn das Futter interessant war, muss sie das den anderen mitteilen. Aber das muss die Biene erst mal einschätzen. Außerdem muss sie den Ort der Futterstelle in einer Art geometrischem Gedächtnis speichern. All das teilt sie den anderen Bienen mit ihrem Tanz mit.

Könnte sie nicht einfach mitteilen, welche Strecke sie geflogen ist?

Nein, denn wenn eine Biene durch den Tanz den Ort einer neuen Futterstelle lernt, dort aber nicht genügend Futter findet, fliegt sie nicht erst mal zurück zum Stock, sondern zu anderen, ihr bereits bekannten Futterstellen. Bienen scheinen also so etwas wie einfache Vektor-Operationen zu beherrschen, die wir so noch nicht verstanden haben.

Und wo kommt da Ihre Technik ins Spiel?

Wir imitieren den Tanz der Bienen durch einen Roboter. Das ist ein kleines Plastikmodell, das über einen Stab mit mehreren Motoren bewegt wird. Oder wir nehmen beispielsweise eine Drohne, schnallen eine Biene darauf, fliegen durch die Gegend und schauen uns an, wie die Gehirnaktivität der Biene an bestimmten Orten aussieht.

Ich dachte, der Bienentanz wäre längst entschlüsselt.

Es gibt keinen Streit mehr darüber, dass der Tanz den Ort einer Futterstelle codiert. Was nicht bekannt ist, ist der Zweck vieler Details: Körperbewegungen, Temperaturänderungen, Luftströme, elektrische Felder. Wir konnten mit dem Roboter zwar relativ häufig Folgeverhalten auslösen. Aber es gab Tage, da ist keine einzige Biene der Tänzerin gefolgt. Jetzt versuchen wir erst einmal die soziale Struktur in einem Bienenstock zu verstehen. Wir haben also die Bienen mit einer Art Barcode versehen und verfolgen jetzt vom Schlüpfen bis zum Tod ihre Aktivitäten.

Und wie lief das Experiment mit der Drohne?

Das war nicht einfach, denn die Motoren erzeugen starke Störsignale. Aber wir haben im Flug starke Signale gesehen. Die werten wir jetzt aus. Interview: Wolfgang Stieler