MIT Technology Review 7/2019
S. 79
TR Mondo

USA

Firma will CO2 aus Abgasen filtern – um mehr Öl zu fördern

Die Pilot-Filteranlage von Carbon Engineering in Squamish, British Columbia. Foto: Carbon Engineering

Das kanadische Start-up Carbon Engineering plant den Bau der größten Kohlendioxid-Filteranlage der Welt. Sie soll in Texas entstehen und pro Jahr 500000 Tonnen des Treibhausgases aus der Luft filtern. Wird das Projekt wie geplant 2023 fertiggestellt, würde es einen großen Schritt in Richtung Direct Air Capture bedeuten. Eine wachsende Zahl von Studien hält die Technologie für unerlässlich, um zu verhindern, dass die globale Erwärmung gefährliche Ausmaße erreicht. Allerdings scheint der Einsatz des gewonnenen CO2 den Klimaschutzgedanken ad absurdum zu führen.

Carbon Engineering entwirft die Anlage gemeinsam mit Oxy Low Carbon Ventures, einer Tochtergesellschaft des Öl- und Gasgiganten Occidental. Diese ist nicht nur einer der Investoren von Carbon Engineering, sondern wäre gleichzeitig Hauptkunde für das aus der Luft gefilterte Kohlendioxid. Oxy plant, das CO2 unter Tage zu injizieren, um damit zusätzlich Erdöl aus seinen Quellen im Permbecken zu fördern, das sich über ganz Texas und Teile von New Mexico erstreckt. Neben dem Verkauf des gewonnenen Öls winken Extraeinnahmen durch öffentliche Aufträge, inklusive der Steuergutschrift „45Q“, die 2018 für das Speichern und Nutzen von Kohlendioxid erlassen wurde. Für Oxy hätte die neue Praxis also handfeste Vorteile.

Und für die Umwelt? Bei der Verarbeitung und Verbrennung des aus dem Boden gepressten Öls entsteht CO2. Damit das Projekt tatsächlich klimaneutral sein kann, muss Oxy jedoch nicht nur die gleiche Menge CO2 verpressen, die es durch das geförderte Öl wieder freisetzt. Es müsste auch die Emissionen des Standortbetriebs ausgleichen und die der erdgasbetriebenen Direktluftabscheidung. Genau das sei auch geplant, versichert Steve Oldham, Geschäftsführer von Carbon Engineering. Oxy-Präsident Richard Jackson fügt an: Die neue Anlage ermögliche „die Herstellung vollständig CO2-neutraler und netto betrachtet sogar CO2-negativer Kraftstoffe“.

Schützenhilfe erhält er von Experten wie Dan Lashof, Direktor der Umwelt-Denkfabrik World Resources Institute in Washington, der das Verfahren zumindest besser als die bisher übliche Art der tertiären Ölgewinnung einschätzt. Schließlich wird dafür immer Kohlendioxid benötigt. Bisher wird es über Bohrungen gewonnen und dabei teilweise freigesetzt. „Es ist immerhin eine CO2 -ärmere Ölquelle als die meisten anderen“, ergänzt er.

Eine weitere Hoffnung: Wenn sich die tertiäre Ölgewinnung durch Direct Air Capture zum profitablen Geschäftszweig entwickelt, könnte das der Technologie „zum Wachstum, zur Verbesserung der Technologien und Kostensenkung verhelfen“, sagt Deepika Nagabhushan, Direktorin für CO2-freie fossile Energie bei der Umweltorganisation Clean Air Task Force. Würden die Methode billiger, die Preise für CO2 höher sowie die politischen Vorgaben strenger, ließe sich CO2 ökonomisch sinnvoll im großen Maßstab unter der Erde versenken. Eine Lösung auf Dauer sehen die Umweltexperten darin jedoch nicht.

Mit steigendem Angebot an fossilen Brennstoffen könnte der Preis fallen und das wiederum die Nachfrage steigern – und damit auch die CO2 -Emissionen. Dann würde diese Art von Direct Air Capture dazu beitragen, eine Branche am Leben zu erhalten, die fossile Brennstoffe fördert. „Solange Sie die Ära der fossilen Brennstoffe verlängern, ist das Klimaproblem natürlich nicht gelöst“, sagt Lashof vom World Resources Institute.

Das ist auch Carbon-Engineering-Geschäftsführer Oldham bewusst. Er sieht den Oxy-Deal daher als Gelegenheit, mit einer großen Anlage zu demonstrieren, dass die Technologie funktioniert. Filtert sie in der erhofften Weise CO2, will das Unternehmen weitere Geschäftsmodelle für das gefilterte Gas ausloten: zum Beispiel die Herstellung CO2 -neutraler synthetischer Kraftstoffe.

JAMES TEMPLE

USA

Strom aus Kalorien

Jose Avinas Fitnessstudio ist unabhängig vom Stromnetz – durch strampelnde Kunden. Foto: EcoFit

Jose Avinas Fitnessstudio in der kalifornischen Hauptstadt braucht keinen Strom mehr aus dem Netz. Die elektrische Energie, die für den Betrieb von Sacramento Eco Fitness nötig ist, erzeugen seine Kunden auf modifizierten Spinningrädern, Crosstrainern und Laufbändern selbst. Der erstrampelte Strom wird in einer Batterie gespeichert. Nur 30 Dollar Grundgebühr bezahlt Avina, ein ehemaliger Marinesoldat, noch pro Monat an seinen Stromversorger.

Seine Idee klingt, als hätte es sie schon lange geben müssen. Tatsächlich aber ist Eco Fitness Avina zufolge das erste energieautarke Studio in den Staaten. „Ich wollte den Kunden etwas bieten, damit sie stehen bleiben und einen Wechsel aus ihrem Stammstudio in Betracht ziehen“, erzählt Avina. Zwei Hürden standen zwischen seiner Idee und der Realisierung: Zum einen wollte ihm keine Bank Geld für den Gerätekauf vorstrecken. Allein ein Onkel hatte Vertrauen in ihn und investierte.

Zum anderen hatte Avina Schwierigkeiten, einen Fitnessgerätehersteller zu finden, der entsprechend umgerüstete Maschinen verkaufte. Fündig wurde er schließlich beim taiwanesischen Trainingsgerätehersteller SportsArt. Dessen Gründer Paul Kuo hat aus Überzeugung ein stromproduzierendes Cardiorad entwickelt.

Kuos Umweltgedanke gefielt Avina: „Es war eine natürliche Partnerschaft.“ Während die ersten „Green Series“-Modelle von SportsArt nur sich selbst mit Strom versorgten, folgte ab 2011 die „Eco Powr“-Serie, die überschüssigen Strom ins Netz einspeist. Andere Fitnessstudios wie EcoFit im englischen Badeort Brighton nutzen war auch Eco-Powr-Geräte, aber „Jose Avinas war der Erste, der sein Studio mit einem kompletten Fahrrad-Fuhrpark der neuesten Generation ausstatten wollte“, sagt Britt Harris, SportsArts-Marketing-Manager für Nordamerika.

Von außen unterscheiden sich die Trainingsgeräte kaum von den traditionellen Fitnessrädern. Nur ein kleiner, unter der Geräteverkleidung sitzender Wechselrichter, der den erzeugten Gleichstrom in Wechselstrom umwandelt, verrät die Funktion der Räder. Der Strom lässt sich über die Steckdose ins Netz einspeisen, die Fitnessstudios müssen an den Gebäuden selbst keine Veränderungen vornehmen. Für SportsArt-Geschäftsführer Ivo Grossi sind solche Fitnessgeräte die Zukunft, sein Unternehmen hält er gar für „ein verstecktes Juwel, genau wie es Tesla vor sieben, acht Jahren war“, sagte er bereits 2016 dem Magazin „Forbes“.

Doch selbst wenn der Vergleich etwas hochgegriffen scheint, bei Avinas Kunden kommt das stromerzeugende Strampeln gut an. Wie bei einem Computerspiel können sie verfolgen, wie viel Watt sie gerade produzieren. Der Studiobesitzer will sie noch weiter animieren und demnächst dem Mitglied mit dem höchsten monatlichen Output einen Monatsbeitrag spendieren. Sollte einmal Mitgliedsflaute herrschen und in der Batterie zu wenig Strom für den Studiobetrieb gespeichert sein, erhält Avina eine Meldung vom System. Dann muss er gegebenenfalls mit seinen Angestellten selber in die Pedale treten. Darüber hinaus speist auch ein Solarpanel auf dem Dach Strom in die Batterie ein. Läuft sein grünes Fitnesskonzept allerdings weiter so gut wie bisher, wird Avina nicht selbst strampeln müssen, sondern in ein größeres Studio umziehen.

VERONIKA SZENTPÉTERY-KESSLER