MIT Technology Review 7/2019
S. 103
Meinung

SPORT

Wie viel Testosteron ist erlaubt?

Seit Monaten liefern sich Funktionäre der International Association of Athletics Federations (IAAF) und die Spitzenathletin Caster Semenya einen Streit um eine erstaunliche Frage: Wie hoch darf der Testosteronspiegel einer Athletin sein? Wohlgemerkt: Es geht bei der südafrikanischen Olympiasiegerin über 800 Meter nicht um Doping, sondern um eine angeborene Besonderheit. Man kann auch sagen: um Talent.

In einer aktuellen Studie hatten Forscher des Karolinska Instituts und der Karolinska Universität in Schweden die Hormonlevel bei Spitzensportlerinnen untersucht. Das Ergebnis präsentierten sie Ende Mai auf dem Jahrestreffen der Europäischen Endokrinologischen Gesellschaft. Es zeigt, dass Athletinnen mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Testosteron im Blut haben als normale Frauen.

Der IAAF hingegen ist überzeugt, dass diese Art von Talent unnatürlich ist, und verlangt von Frauen, ihren Hormonspiegel zu senken, wollen sie auf internationalen Meisterschaften antreten.

Bei Semenya ist er zugegebenermaßen ungewöhnlich hoch, aber trotzdem: Warum ist ihre physische Besonderheit etwas anderes als lange Beine? Semenya ging gerichtlich gegen den Beschluss des IAAF vor. Tatsächlich gab das Schweizer Bundesgericht ihr Anfang Juni recht – allerdings nur mit einer „vorläufigen Bestimmung“, so Sprecher Peter Josi. Nun hat der IAAF Zeit, sich zu äußern. Hoffentlich nutzt er sie, um Talent als das zu akzeptieren, was es zu einem wichtigen Teil ist: eine Fügung der Natur.