Gesellschaft
Einheit und Zwietracht
Der Biologe Mark W. Moffett erklärt, wie sich Gruppenidentität und das Bedürfnis nach Abgrenzung entwickelt haben.
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Identität ist, genauso wie Heimat, zu einem Begriff mit politischer Sprengkraft geworden. Der Biologe Mark W. Moffett diskutiert, woher das Bedürfnis, dazuzugehören und sich von anderen abzugrenzen, kommen könnte – und was das für die Gesellschaft bedeutet.
Dabei schlägt er einen großen Bogen von Pavianhorden mit einigen Dutzend Mitgliedern, die sich alle persönlich kennen, zur Argentinischen Ameise, die mit vier Superkolonien mit Milliarden von Individuen ganz Kalifornien besiedelt hat.
Das gemeinsame Merkmal dieser Gesellschaften ist, so Moffett, dass eine Gruppe kollektiv Vorteile erzielt, die einzelne Individuen nicht erreichen können – beispielsweise ein neues Gebiet besiedeln und sich Nahrungsquellen sichern. Als besonders erfolgreiche Strategie habe sich dabei das sogenannte Fission-Fusion-Verhalten erwiesen, bei der die Mitglieder der Gruppe sich zunächst einzeln durchschlagen, um dann wieder in einer Gruppe zusammenzufinden. Damit das funktioniert, müsse es jedoch Mechanismen geben, mit denen sich Mitglieder gleicher Gruppen erkennen.
Es sind solche uralten Mechanismen, die noch immer unser Verhalten bestimmen, schreibt Moffett. „Das Gefühl, zu einer Gesellschaft – ja eigentlich sogar zu mehreren unterschiedlichen Gesellschaften – zu gehören, ist unentbehrlicher und älter als Glaube und Ehe, dies war schon der Lauf der Dinge, bevor wir überhaupt Menschen waren.“ WOLFGANG STIELER