MIT Technology Review 7/2019
S. 14
Aktuell

aller Facebook-Profile werden um das Jahr 2070 zu toten Menschen gehören. Das hat das Oxford Internet Institute ausgerechnet. Ab diesen Zeitpunkt wird das Netzwerk mehr tote als lebende Mitglieder zählen. „Nie in der Geschichte gab es ein so großes Archiv der menschlichen Kultur an einem Ort“, schreiben die Forscher. „Das wirft die Frage auf, wie wir mit diesen Daten umgehen sollen.“

VERKEHR

Rad mit Autopilot

Am Lenkkopflager sorgt ein wuchtiger Stellmotor für guten Geradeauslauf. Foto: TU Delft

Warum kippt ein fahrendes Rad nicht um? Nein, es liegt nicht allein an den stabilisierenden Kreiselkräften der Räder, wie es meist in den Schulbüchern steht. Sondern an minimalen Lenk- und Ausgleichsbewegungen der Fahrradfahrer, wie Arend Schwab von der TU Delft in 15 Jahren Forschung herausgefunden hat (siehe TR 8/2012, S. 72). Insgesamt entdeckte er 25 Parameter, welche die Stabilität eines Fahrrads bei verschiedenen Geschwindigkeiten bestimmen.

Nun hat er die Erkenntnisse aus seinem Fahrradlabor gemeinsam mit dem niederländischen Fahrradhersteller Gazelle in einem Assistenzsystem umgesetzt, das Räder ab einer Geschwindigkeit von vier Kilometern pro Stunde aufrecht hält. Es besteht aus einem Motor am Lenker und einer Steuerungselektronik auf dem Gepäckträger. Sobald Lagesensoren melden, dass das Rad zu kippen droht, steuert der Motor gegen. „Die Technik ist recht simpel“, sagt Schwab. „Der schwierigste Teil war es, die richtigen Algorithmen zu finden.“ Derzeit ermitteln die Niederländer mit Prototypen, wie Nutzer auf das System reagieren. Es richtet sich vor allem an ältere und unsichere Radler. GREGOR HONSEL

GENETIK

Neu belebter Blumenduft

Getrocknete Reste des ausgestorbenen Hibiskus. Foto: Gray Herbarium/Harvard University

Heute weiß niemand mehr, wie der Hochlandhibiskus (Hibiscadelphus wilderianus) duftet. Die einst auf der hawaiianischen Insel Maui beheimatete Blume gilt seit 1912 als ausgestorben. Besucher einer Londoner Ausstellungsinstallation konnten kürzlich dennoch erschnuppern, wie sie geduftet haben könnte. Forscher des US-Unternehmens Ginkgo Bioworks, das Mikroorganismen für die Produktion von unterschiedlichsten Molekülen genetisch maßschneidert, hatten die Geruchskomponenten teilweise wiederbelebt.

Ausgangspunkt war die letzte getrocknete Pflanzenprobe. Die Suche nach ihren Duft-Genen erwies sich zunächst jedoch als schwierig, weil die DNA bereits stark abgebaut war. Erst mithilfe des Paläogenomik-Labors der University of California in Santa Cruz (UCSC) gelang es, Erbgut zu extrahieren und anschließend zu entziffern. Ginkgo Bioworks brachte die Fragmente nach dem Vorbild der DNA verwandter Pflanzen am Computer in die richtige Reihenfolge und füllte die Lücken auf.

Anschließend schleusten die Forscher die Gene, die den Duft des Hibiskus codieren, in einen Hefestamm ein, der die Moleküle dann produzierte. Zum Schluss kombinierten sie die genetischen Duftbausteine in verschiedenen Varianten und Konzentrationen, sodass unterschiedliche Hibiskusduft-Kompositionen entstanden. Die Besucher der Ausstellung konnten abstimmen, welcher ihnen am besten gefiel. VERONIKA SZENTPÉTERY-KESSLER

Biotechnologie

Heiße Knolle

Je wärmer der Sommer, desto kleiner die Kartoffeln. Das genetische Prinzip hinter dieser Regel haben jetzt Biochemiker der Universität Erlangen-Nürnberg entschlüsselt – und gleich eine Methode entwickelt, mit der sie Kartoffeln trotz Hitze wachsen lassen können.

Hitzeresistente Kartoffel-Jungpflanzen im Gewächshaus. Foto:Uwe Sonnewald/ FAU

Der Grund für ihre Hitzeempfindlichkeit liegt in der Herkunft der Kartoffel: Sie stammt aus den Anden und sichert in kalten Jahren ihr Überleben über das Speicherorgan in der Erde. In warmen Jahren bildet sie mehr Blattwerk und Samen und nutzt die günstigen Bedingungen, um sich zu verbreiten. Ob die Pflanze größere Knollen oder eher Blattwerk entwickelt, steuert ein Botenstoff, den die Blätter bilden. Der Botenstoff signalisiert der Pflanze: mach viel Knolle! Steigt die Tagestemperatur jedoch über 29 Grad Celsius und kühlt sich nachts nicht unter 27 Grad ab, schaltet die Pflanze von Knolle auf Kraut um, indem sie mit einem kleinen Genblocker die Bildung dieses Botenstoffes verhindert. Diesen Blocker – ein kleines RNA-Molekül – konnten die Forscher aus dem Erbgut ihrer Testkartoffeln entfernen und so auch über 29 Grad noch große Knollen ernten.

Die Forscher sehen diese hitzeunempfindlichen Kartoffeln als Chance, in Zukunft – bei erwartungsgemäß immer heißeren Sommern – Ernteerträge zu sichern. Bislang haben sie die hitzeresistenten Kartoffeln nur im Gewächshaus angebaut, Tests unter Feldbedingungen sollen folgen. JO SCHILLING