MIT Technology Review 1/2020
S. 78
Fokus
Biotechnologie
Mit fluoreszierendem Farbstoff eingefärbte künstliche Embryonen. Die Farben, unten mit Pfeilen markiert, zeigen unterschiedliche Zelltypen. Foto: Yi Zheng et al.

Embryo aus der Retorte

Forscher nähern sich der Herstellung lebensfähiger menschlicher Embryonen aus Stammzellen. Wie weit darf die Forschung gehen?

Von Antonio Regalado

Die Stammzellen leben nur wenige Tage auf der Oberfläche einer mikrofluidischen Zelle, umspült von winzigen Kapillaren. Sie folgen dem ultimativen Programm des Lebens: Sie versuchen, sich in einen Embryo zu verwandeln. Spezialkameras dokumentieren, wie die Zellen sich vermehren, verändern und selbstständig winzige, kugelförmige Strukturen bilden – inklusive eines beginnenden Fruchtbeutels und den Zellen, die später die einzelnen Körperteile ausbilden würden.

Das Herzstück der Technologie ist das mikrofluidische ­Chipsystem, das der Bioingenieur Jianping Fu und die ­Biologin Deborah Gumucio von der University of Michigan entwickelt haben. Sie platzieren einzelne Stammzellen in winzigen Kammern in den Kanälen auf dem Chip und behandeln sie dann mit chemischen Stoffen, die solche Zellen dazu anregen, sich zu einem Embryo zu entwickeln. Das gelänge bei über 90 Prozent der Stammzellen, und sie hätten Hunderte dieser Embryomodelle hergestellt, sagen sie.