Indiens verordnete Blackouts
Die Regierung des Subkontinents nutzt regionale Internetsperren, um die Verbreitung unliebsamer Nachrichten zu verhindern. Kaschmir hat unter dieser Taktik besonders zu leiden.
Wie immer kam der Frühling mit schmelzendem Schnee und blühenden Bäumen ins Kaschmirtal. Dieses Jahr brachte er jedoch noch etwas Neues. Am 18. März wurde in Srinagar, der größten Stadt in der Himalaja-Region Kaschmir, der Erste positiv auf Covid-19 getestet. Der Bürgermeister forderte alle auf, zu Hause zu bleiben. Doch die Botschaft fand kaum Verbreitung, denn die indische Regie-rung hatte im August 2019 in Kaschmir eine Kommunikationssperre verhängt, um politische Unruhen in der Region zu ersticken. Es gab bis zum Januar 2020 kein mobiles Internet, kein Breitband, kein Festnetz und kein Kabelfernsehen – der längste Internet-Blackout, den es in der demokratischen Welt je gegeben hat.
„Wir wussten nichts über das Virus“, sagt Omar Salim Akhtar, Urologe an der Medizinischen Hochschule in Srinagar. „Sogar das Gesundheitspersonal war hilflos. Wir mussten Menschen, die außerhalb Kaschmirs unterwegs waren, bitten, die medizinischen Richtlinien herunterzuladen und uns Ausdrucke mitzubringen.“ Am Tag nach dem ersten diagnostizierten Coronafall im Kaschmirtal forderte Amnesty International die Regierung auf, die Internetverbindungen vollständig freizugeben. „Das Recht auf Gesundheit“, so hieß es in einer Erklärung, „bedeutet auch ein Recht auf Zugang zur Gesundheitsversorgung und Zugang zu gesundheitsbezogenen Informationen“. Die Regierung überhörte den Appell. Erst im Januar stellte sie die Internetanbindung in Teilen wieder her, verbot aber die Nutzung sozialer Medien. Noch heute (während dieser Artikel entsteht) sind die Verbindungsgeschwindigkeiten stark gedrosselt.