Chinas Datenschutz-Paradoxon
Der chinesische Staat überwacht seine Bürger immer ausgeklügelter. Gleichzeitig werden die Gesetze zur Sicherheit der persönlichen Verbraucherdaten zunehmend strenger. Wie passt das zusammen?
Im Spätsommer 2016 erhielt Xu Yuyu einen Anruf, der versprach, ihr Leben zu verändern. Sie hatte die Hochschul-Zulassung zum Englisch-Fachbereich der Universität für Post und Telekommunikation Nanjing erreicht. Xu Yuyu lebte südöstlich von Peking in Linyi, einer Stadt in der chinesischen Küstenprovinz Shandong. Sie stammte aus einer armen Familie. Ihre Eltern hatten lange für ihre Studiengebühren gespart; nur sehr wenige ihrer Verwandten hatten jemals eine Hochschule besucht.
Einige Tage darauf erhielt Xu einen weiteren Anruf: Sie habe ein Stipendium gewonnen. Um die 2600 Yuan (rund 330 Euro) zu erhalten, müsse sie allerdings zunächst eine „Aktivierungsgebühr“ in Höhe von 9900 Yuan (rund 1250 Euro) auf ihr Universitätskonto einzahlen. Sie überwies das Geld, aber schnell kamen ihr Zweifel, und sie eilte noch in derselben Nacht zur Polizei. Xus Vater sagte später, am meisten bedauere er, den Beamten gefragt zu haben, ob sie ihr Geld wohl zurückbekommen würden. Die Antwort – „Wahrscheinlich nicht“ – war zu viel für Xu. Auf dem Heimweg erlitt sie einen Herzinfarkt. Zwei Tage später war sie tot.