MIT Technology Review 12/2020
S. 48
Horizonte
Psychologie

Das ererbte Trauma

Neuroforscherin Isabelle Mansuy hat gezeigt, dass Traumata Spuren in den Genen ­hinterlassen, die an die Nachkommen vererbt werden können. Hier erklärt sie, wie das unser Leben prägt, und was wir tun können, um diese Last wieder loszuwerden.

Von Frederik Jötten

Sie ist kein Angriff auf Darwins Evolutionstheorie, aber eine wichtige Ergänzung – die noch relativ junge Dis­ziplin Epigenetik. Sie erklärt, wie Einflüsse aus unserer Umwelt Gene aktivieren oder abschalten. Eine der renommiertesten Forscherinnen auf dem Gebiet ist Isabelle Mansuy, stellvertretende Leiterin des Instituts für Neurowissenschaften an der ETH Zürich. Sie hat Belege dafür gefunden, dass wir die epigenetischen Veränderungen, die das Leben in unsere Gene schreibt, auf unsere Nachfahren übertragen. Und sie gibt Empfehlungen, was wir tun können, um unsere Gene und die unserer Kinder und Enkel positiv zu beeinflussen. Auch wenn das gewagt klingt – sie hat prominente Unterstützung für ihre Thesen. Einer der Pioniere der Epigenetik, Thomas Jenuwein, ist ganz bei ­Isabelle Mansuy: „Für mich ist es plausibel, dass epigenetische Merkmale begrenzt vererbt werden können“, sagt der Direktor des Max-Planck-Instituts für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg im Breisgau.

Können traumatisierte Mäuse ihre Neugier aus­leben, werden sie gut ernährt und ausgelastet, korrigiert dies geerbte Traumata.
Foto: Piotr Piwowarski

Technology Review: Vor Kurzem ist die Dokumentation „Der Krieg in mir“ herausgekommen. Ein Mann hat Albträume aus dem Krieg, obwohl er nie Soldat war – Sie kommen in dem Film auch zu Wort, und man kann Ihre Äußerungen so interpretieren, dass der Enkel die Albträume vom Großvater gerbt haben könnte – wie kann man sich das vorstellen?