MIT Technology Review 3/2020
S. 105
Fundamente
Rückschau/Vorschau

Kampf gegen Trolle

An dieser Stelle blicken wir zurück auf ­Artikel, die vor fünf Jahren in Techno­logy Review erschienen sind. Diesmal: Hass im Internet

Technology Review 3/2015: Kampf gegen Hass und Hetze im Internet

Dass der Internet-Hass sich ausgerechnet in Schweden besonders früh und heftig entwickelte, ist eigentlich ziemlich erstaunlich: Schließlich gilt das Land nicht nur als Bastion der Liberalität und des Feminismus, berichtete TR im März 2015. „Es ist auch eine Art digitales Utopia, Geburtsstätte der Piratenpartei, die das Internet als Quelle der Demokratisierung begreift.“ Gegen die um sich greifende Schlammflut von Fake News, Beleidigungen und Bedrohungen entwickelte sich aber auch dort schon früh eine neue Gegenbewegung. „Ein Team freiwilliger Online-Ermittler namens Researchgruppen ­folgte dort den Datenspuren anonymer Internet-Hetzer und enttarnt sie. „Das Kollektiv reichte die Liste weiter an ,Expressen‘, eine der beiden großen ­Boulevardzeitungen Schwedens“, berichtete TR. Auf der Liste befanden sich zahlreiche Politiker und Funktionäre der aufstrebenden Rechtspartei ­Sverigedemokraterna, die sich offiziell von ihren Neonazi-Wurzeln distanziert hatten. Researchgruppen arbeitet noch immer, wenn auch ohne ihren ­Gründer Martin Fredriksson, denn der hatte 2016 zugegeben, jahrelang als Informant für die schwedische Polizei tätig gewesen zu sein.

Als viel größeres Problem hat sich allerdings mittlerweile der Online-Hass erwiesen, der nicht unter Pseudonym verbreitet wird, sondern ganz offen. Denn die großen sozialen Netzwerke wie Facebook hielten lange einzig das Prinzip der freien Rede hoch und mussten von europäischen Justizbehörden erst unter Druck gesetzt werden, um etwas dagegen zu unternehmen.

Die Werkzeuge dazu sind jedoch bis heute höchst umstritten. Das in Deutschland 2018 erlassene Netzwerkdurchsetzungsgesetz verpflichtet Internet-Plattformen, strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden zu löschen. Kritiker monieren, das verlagere die Aufgaben der Justiz zu privaten Unternehmen. Dessen ungeachtet plant das Justizministerium eine weitere Verschärfung: Nach einem ersten Entwurf des Gesetzes „gegen Hasskriminalität im Internet“ sollen Sicherheitsbehörden auf Anfrage auch sensible Daten wie Passwörter oder IP-Adressen ohne Richterbeschluss bekommen. Wolfgang Stieler