MIT Technology Review 4/2020
S. 44
Horizonte
Bildung
Illustration: Emily Haasch

Das abstürzende Klassenzimmer

Deutsche Schulen sollen im Eiltempo digitalisiert werden. Ob das wirklich eine gute Idee ist? Der Blick in die USA zeigt, dass die Schulen dort deutlich weiter – und recht ernüchtert sind.

Von Nike Heinen und Natalie Wexler

Ein Grundschul-Klassenzimmer in Washington D.C. Die meisten der Sechsjährigen sitzen vor Tablets. Sie sollen sich selbstständig mit mathematischen Problemen auseinandersetzen, während der Lehrer in­tensiv mit einer kleinen Gruppe arbeitet. Ein Junge, nennen wir ihn Kevin, starrt auf seinen Bildschirm. „Addiere 8 und 3“, verlangt das ­Tablet.

Er kann nicht so gut lesen, also drückt er den „Vorlesen“-Knopf. Wieder und wieder. Ohne danach eine Antwort zu geben. Er versteht das Wort „addieren“ nicht. Auf den Monitoren der anderen Kinder stehen Anweisungen wie: „Runde 119 auf den nächsten Zehner“ und „Finde die Fläche des Dreiecks in den Quadraten wieder“. Wenn ein Kind das Wort addieren nicht versteht, verstehen die anderen dann Wörter wie runden und Quadrat?