MIT Technology Review 5/2020
S. 105
Fundamente
Rückschau/Vorschau

Ausgespielt

An dieser Stelle blicken wir zurück auf Artikel, die vor fünf Jahren in Technology Review erschienen sind. Diesmal: Augmented Reality

In etwa 70 Zentimetern Entfernung sieht die Figur so echt aus, wie ein Monster nur aussehen kann.“ So beschrieb Rachel Metz, Autorin der US-Ausgabe von TR, ihre erste Begegnung mit einem virtuellen Raubsaurier. Auf dem Kopf trug sie dabei ein Metallgestell mit Linsen und reichlich Elektronik. Es handelte sich um einen frühen Prototyp der Magic-­Leap-Brille, eines der am meisten gehypten Geräte der letzten Jahre.

VR-Brillen wie die Oculus Rift gab es zu diesem Zeitpunkt schon länger. Doch Magic Leap versuchte sich im Segment der Augmented Reality, was technisch anspruchsvoller ist, weil virtuelle Dinge passgenau in eine reale ­Umgebung eingeblendet werden müssen. Die einzige Konkurrenzbrille war die HoloLens von Microsoft. Sie war zum damaligen Zeitpunkt bereits etwas weiter gediehen. „Was ich sah, hat mich allerdings nicht umgehauen“, schrieb Metz nach dem Test eines Vorserienprodukts. „Manche der Hologramme ­sahen zwar hervorragend aus. Häufiger aber wirkten die Bilder störend transparent und bei Weitem nicht so scharf wie bei Magic Leap.“

Was genau man mit den neuen AR-Brillen anstellen sollte, wusste damals noch niemand. „Wenn es aber gelingt, die Technologie klein, bequem und ­benutzerfreundlich zu machen, werden spannende Anwendungen gewiss nicht lange auf sich warten lassen“, hieß es in TR 5/2015.

Darauf wartet die Welt noch immer. Die HoloLens hatte relativ schnell ihre Nische im professionellen Einsatz gefunden, etwa bei Reparatur und Wartung. Eine Anwendung von Bosch projiziert mit der HoloLens beispielsweise alle nötigen Handgriffe und Bauteile passgenau auf ein reales Auto.

Magic Leap hingegen brauchte bis 2018, um überhaupt eine halbwegs brauchbare Brille vorzulegen. Der Verkauf blieb unter den Erwartungen, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg erfahren haben will. Auch bei den Anwendungen sieht es noch dünn aus. Laut Bloomberg hat sich das Start-up schleichend vom Gaming und Entertainment entfernt und professionelle ­Einsätze in den Blick genommen, etwa die virtuelle Zusammenarbeit von Teams. Zur Coronakrise bietet es nun für 45 Tage ein Testset von vier Brillen an, um die Heimarbeit zu erleichtern. Parallel dazu sucht das Unternehmen einen Käufer. Gespräche mit Facebook, das bereits Oculus übernommen hat, blieben laut Bloomberg ohne Ergebnis. GREGOR HONSEL