MIT Technology Review 8/2020
S. 54
Horizonte
Medizin
Eine sich gerade teilende Lungenkrebszelle unter dem Rasterelektronenmikroskop. Foto: Steve Gschmeissner/ Science Photo Library

Krebs mit seinen eigenen Waffen schlagen

Bei zu vielen Krebspatienten versagt die Chemotherapie, weil ihre Tumorzellen resistent gegen die Medikamente geworden sind. Nun wollen Mediziner die Tricks der Evolution nutzen, um genau das zu verhindern – und beziehen einfach die Abwehrmechanismen in die Behandlung mit ein.

Von Christian Wolf

Es ist ein Wechselbad der Gefühle für Patienten und ihre Ärzte. Zuerst schlägt ein Medikament gegen Krebs an. Doch einige Monate später folgt die schlechte Nachricht: Der Krebs hat sich zurückgemeldet und breitet sich weiter aus. Das ist heute vielleicht das größte Problem in der Krebstherapie – egal ob es um klassische Chemotherapeutika oder um neue Immuntherapien geht, die das Abwehrsystem gegen den Krebs aktivieren: Viele Medikamente wirken zwar zunächst gut, die Tumorzellen ziehen aber im Zuge der Behandlung den Resistenz-Joker. Untersuchungen niederländischer Wissenschaftler haben gezeigt, dass bei der Hälfte aller Tumorpatienten eine Resistenz gegen Chemotherapeutika bereits im Tumor angelegt ist. Bei der anderen Hälfte der Patienten ist die Gefahr groß, dass sie eine Resistenz entwickeln.

Extrem vereinfacht ist das Prinzip der Tumortherapie: Mediziner bombardieren Tumorzellen mit Medikamenten und schauen, ob diese zerstört werden. Doch dieser Ansatz birgt ähnliche Tücken wie die Behandlung von Infektionserregern mit Antibiotika oder Virostatika. Genauso wie Bakterien oder Viren suchen die Tumorzellen nach einem Ausweg.