MIT Technology Review 9/2020
S. 56
Horizonte
Wirtschaft
Illustration: Nicolás Ortega

Warum das Silicon Valley nicht die Welt rettet

Das Finanzierungsmodell des Silicon Valley zeichnet sich durch die ­Schaffung einer bestimmten Art von Innovation aus. Die gegensätz­lichen Geschichten zweier Menschen zeigen, woran das System krankt.

Von Elizabeth MacBride

Nikki King ist eine junge Frau aus den Appalachen. Sie bietet Medikamente gegen Sucht an. Sie konzentrierte sich anfangs auf ihre Gemeinde und leitet nun ein Programm im Gerichtsgebäude in Ripley County. In ihrem ersten Jahr behandelte sie 63 Menschen, bei den meisten verhinderte das Programm einen Rückfall. Sie befindet sich in einem ständigen Kampf um Geld und ist auf Zuschüsse, Spenden und Medicaid-Rückerstattungen angewiesen. „In dieser Gemeinde hier haben wir zwischen 50000 und 70000 Dollar gesammelt“, sagte sie. Investoren hat sie nicht, denn für sie ist ihr Modell von geringem Interesse: Ihr Markt ist klein, sie nutzt keine Software-Technologie, um ihre Klienten zu erreichen. Denn Breitband ist in Südindiana nicht weit verbreitet.

Zack Gray ist gewissermaßen das Gegenstück zu King. Seine Firma Ophelia beruht mehr oder weniger auf der gleichen Idee – sie bietet Medikamente gegen Sucht an. Auch der Ursprung der Idee ist ähnlich: persönliche Betroffenheit. „Es gab ein Mädchen in meinem Leben“, erzählt er. „Wir lernten uns kennen, als ich 14 war.“ Sie verabredeten sich ab und zu und blieben Freunde. Sie gehörte zu einer Generation, die durch Schmerzmittel in die Opioidabhängigkeit abrutschte. Sie war fünf Jahre lang abhängig und ließ sich schließlich behandeln. Aber sie wollte keine Reha oder Therapie. Dann kam im letzten Frühjahr die Nachricht: Sie hatte eine Überdosis genommen. Als Gray ins Krankenhaus kam, war sie verschwunden.