Evolution
Schöner Schein
Jonathan Clements: Darwins Notizbuch wbg Theiss, 160 Seiten, 28 Euro
Darwins echte Notizbücher waren klein, rot und nach den Buchstaben des Alphabets sortiert. Zwei der wichtigsten Bände, die unter anderem die ersten Skizzen zum „Baum des Lebens“ enthalten, wurden 2001 gestohlen.
Darwins Notizbuch von Jonathan Clements ist also reine Fiktion – aber eine sehr schöne und liebevoll gestaltete: Das nun in deutscher Übersetzung vorliegende Buch gewährt nicht nur einen sehr persönlichen Einblick in das Leben von Charles Darwin. Es erklärt auch anschaulich die Mechanismen der Evolution, genau wie die Entwicklung der Evolutionstheorie – bis hin zu ihrer Pervertierung durch die Eugenik.
In zahlreichen Skizzen, Zeichnungen, Stichen und Fotos werden Darwins Forschungsreisen auf der HMS Beagle lebendig. Und aus Tagebucheinträgen und Notizen, privaten Aufzeichnungen und Publikationen wird deutlich, wie aus vorhandenem Wissen, Beobachtungen, Ideen, Diskussionen, Widerstand und Selbstzweifel eine neue Theorie entsteht. So würde ich mir Wissenschaftsgeschichte öfter wünschen.
WOLFGANG STIELER
JAHRBUCH
Neugeburt nach 140 Jahren
Das Neue Universum 120 Zukunft. Forschung. Abenteuer. Carl Hanser Verlag, 384 Seiten, 24 Euro
Das neue Universum hat ganze Generationen geprägt. Die Buchreihe erscheint mit ein paar Unterbrechungen seit 1880 jährlich. Zunächst vereinte sie „all jene Themen, die in der gutbürgerlichen Gesellschaft als diskussionswürdig empfunden wurden“, wie es im Vorwort zum neuen Band 120 heißt. Vom Feuilleton-Jahresrückblick für die ganze Familie wandelte es sich später zu einem Jugendbuch mit Schwerpunkt auf Erfindungen und Entdeckungen.
Mit dem Aufkommen des Webs wurde der Gedanke, die wichtigsten Entwicklungen einmal im Jahr in einem dicken Buch zusammenzufassen, zunehmend obsolet. 2002 erschien im Südwest Verlag der vorerst letzte Band 119.
Doch ironischerweise war es auch das Netz, das den Hanser Verlag bewog, die Reihe wieder aufzulegen – und das DDR-Äquivalent Urania als Buch im Buch gleich mit. „Das Internet gleicht einem undurchschaubaren Dschungel, in dem es schwerfällt, den richtigen Pfad zu finden“, schreibt die frühere Mitarbeiterin Ulrike Ramsauer im Vorwort. Deshalb biete ein Sammelband „ganz eigene Benefits“: „Er bündelt, wonach im Internet ansonsten lange gesucht werden müsste.“
Das ganz neue Neue Universum bietet einen bunten Themen-Mix mit Reportagen über exotische Gegenden, Ökologie, Natur, Technik und Medizin, Kunst und Kultur, Sport und Freizeit. Ein reines Jugendbuch ist es allerdings definitiv nicht mehr. Die meisten Beiträge sind Erwachsenen-Publikationen wie Frankfurter Allgemeine, Süddeutsche, Zeit oder Geo entnommen. Auch TR ist mit einem Stück dabei.
GREGOR HONSEL
THRILLER
Neben der Zahnpasta
Dirk Rossmann: Der neunte Arm des Oktopus Lübbe, 400 Seiten, 20 Euro (E-Book: 15,99 Euro)
Dirk Rossmanns Thriller Der neunte Arm des Oktopus möchte als Umwelt-Thriller aufrütteln und entwirft dabei die Vision einer Super-Allianz der Supermächte für den Klimaschutz. Rossmann schreibt in einfacher Sprache, und – was befremdlich wirkt – ein Großteil seiner Protagonisten sind lebende Personen der Gegenwartsgeschichte.
Seine Motivation war, „eine politische Vision in Form eines Pamphlets, in Form eines Thrillers, ein Ausweg aus der Misere, gekleidet in eine spannende Geschichte“ zu schreiben. Vor dem Hintergrund sind Sätze wie „und musste nicht die Klimakatastrophe mit allen Mitteln aufgehalten werden, selbst wenn die Mittel brutal und diktatorisch waren?“, leider nicht schräg, sondern beängstigend.
Jo SCHILLING