MIT Technology Review 5/2021
S. 3
Editorial

Editorial 5/21

Liebe Leserinnen und Leser,

Technologie ist eine politische Kampfzone. Denn wer wichtige Schlüsseltechnologien entwickelt und beherrscht, wird enormen Einfluss auf die Gestaltung unserer zukünftigen Gesellschaft haben. Deshalb ringen die USA und China erbittert um die Vormachtstellung. Wie kann sich Europa in diesem Kampf behaupten und technologische Souveränität erlangen?

Das ist eine komplexe Frage, denn technologisch souverän zu sein, kann nicht heißen, sich komplett abzuschotten. In einem globalisierten Forschungs- und Wirtschaftssystem ist das kaum möglich und angesichts der globalen Herausforderung des Klimawandels nicht opportun. Der Umkehrschluss ist aber ebenso wenig sinnvoll: Spitzenforschung und die Entwicklung wichtiger Technologien anderen zu überlassen in der Hoffnung, von deren Fortschritten zu profitieren.

Die USA und China investieren massiv in Zukunftstechnologien und üben großen politischen Druck aus, wenn es in ihrem Interesse ist. Das wird in Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie deutlich. Als es um die Impfstoffversorgung der eigenen Bevölkerungen ging, war sich jeder selbst am nächsten. Aber auch die Streitigkeiten um den 5G-Ausbau zeugen von der knallharten Interessenspolitik der Akteure. In unserer Titelgeschichte (Seite 18) beschreiben wir die vielen Facetten einer technologischen Souveränität Europas und erklären in vier Analysen, wie die Souveränitätsbestrebungen in einzelnen Schlüsseltechnologien aussehen (ab Seite 26).

Technologie allein reicht aber nicht, um eines der drängendsten Probleme unserer Zeit zu adressieren: soziale Ungleichheit. Denn Fortschritt ist häufig eine Sache von Ballungsgebieten. In ländlichen Regionen kommt er selten an, wie wir in einer Reportage aus der amerikanischen Kleinstadt Bryan zeigen (Seite 38). Auch in Deutschland ist ein Stadt-Land-Gefälle zu beobachten. Einige Akteure geben sich damit nicht zufrieden und wollen qualifizierte Städter aufs Land locken (Seite 46).

Qualifiziert haben auch wir uns in besonderem Maße: Mit der Titelgeschichte der Ausgabe 7/20 gewann unser Autor Wolfgang Richter den Umsicht-Journalistenpreis des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik. In der Geschichte geht es um die Frage, inwiefern große CO2-Emittenten wie RWE oder Shell für die von ihnen verursachten Klimaschäden belangt werden können. Wir freuen uns sehr!

Ihr

Luca Caracciolo
@papierjunge