Aktuell

AKUSTIK

Besser hören mit Mini-Schallwandler

Fraunhofer-Forscher haben ein neues Hörgeräte-Konzept entwickelt: eine „Hörkontaktlinse“, die direkt auf dem Trommelfell liegt. Statt eines Lautsprechers sitzt hier ein Mikro-Aktuator mit wiederaufladbarem Akku direkt auf dem Trommelfell. Der Piezoaktuator ist ein sehr dünner Schallwandler, der die Schallwellen direkt in einen mechanischen Reiz umwandelt und statt des Schalls das Trommelfell zum Schwingen anregt. Der Hammer – das erste Gehörknöchelchen des Innenohres – nimmt die Schwingung des Trommelfells ab und leitet die Tonwahrnehmung ein. Im Gehörgang befindet sich ein weiteres Modul des Hörgerätes.

Durch die mechanische Verstärkung des Schalls kann die Hörlinse einen breiteren Frequenzbereich abdecken als herkömmliche Hörgeräte. Ein gesundes Ohr verarbeitet Töne zwischen 20 und 20 000 Hertz. Dieses Frequenzspektrum schrumpft mit dem Alter und einsetzender Schwerhörigkeit – zunächst verschwinden die hohen Töne. Klassische Hörverstärker können im Bereich zwischen 200 und 8000 Hertz helfen. Die Fraunhofer-Forscher wollen Betroffenen die Töne zwischen 80 und 12 000 Hertz zurückgeben.

Als Vibrosonic alpha will Vibrasonic die Hörkontaktlinse im Herbst 2021 auf den Markt bringen. Vibrasonic ist eine Ausgründung des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA und der Universitäts-HNO-Klinik Tübingen. Derzeit befindet sie sich in klinischen Studien, die gezeigt haben, dass die Linse für Menschen mit leichten bis mittelgradigen Hörschäden geeignet ist.

Kontaktlinse für das Ohr: Prototyp von Vibrosonic.

JO SCHILLING

BIOMECHANIK

Gehirn bremst Exoskelett

Exoskelette sind von fantastischen Labor-Konstruktionen, die Gelähmte wieder gehen lassen, zu alltagstauglichen Geräten geworden, die zunehmend auch in der Industrie verwendet werden. Die Anpassung an die maschinelle Unterstützung funktioniert zwar weitgehend unbewusst. Sie belegt aber trotzdem wertvolle Ressourcen im Gehirn. Wenn Menschen Exoskelette tragen, während sie Aufgaben ausführen, bei denen sie über ihre Handlungen nachdenken, werden diese Ressourcen aber unter Umständen überlastet, was dazu führt, dass die Menschen gegen die Exoskelette anarbeiten. Das ist das Ergebnis einer Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift Applied Ergonomics veröffentlicht wurde (https://doi.org/10.1016/j.apergo.2021.103494).

Für die Untersuchung ließen William Marras von der Ohio State University und Kollegen zwölf Personen wiederholt einen Medizinball heben. Bei einer der Sitzungen trugen die Teilnehmer ein Exoskelett, das am Brustkorb und an den Beinen des Benutzers befestigt wurde. Bei der anderen Sitzung trugen sie es nicht. Dabei maßen die Forscher die Kraft, die während jeder Sitzung auf den unteren Rücken der Teilnehmer einwirkte. Dann baten sie die Teilnehmer, dieselbe Aufgabe auszuführen, während sie im Kopf eine Rechenaufgabe ausführten.

Das Ergebnis: Das Exoskelett reduzierte die Belastung auf den unteren Rücken der Teilnehmer, wenn die Teilnehmer den Ball einfach nur anhoben und absenken mussten. Aber wenn die Teilnehmer beim Heben und Senken des Balls im Kopf rechnen mussten, verschwanden diese Vorteile.

Exoskelette wie dieses werden zunehmend auch in der Industrie eingesetzt.

WOLFGANG STIELER

KI

Chatbot gegen Impfskeptiker

„Ich verstehe Dich. Du wirst nicht gechipt oder manipuliert, wenn Du eine COVID-19-Impfung bekommst. Es gibt keine Tracking-Mechanismen im Impfstoff.“ Vermutlich weil sie es leid waren, solche Sätze immer zu wiederholen, haben Forscherinnen und Forscher des International Vaccine Access Centers die Überzeugungsarbeit mit Impfskeptikern an eine Maschine delegiert. Sie fütterten einen Chatbot (VaxChat.org) mit etwa 150 Anliegen und 300 Antworten rund um Covid-Impfungen. Die Antworten stammen von Expertinnen und Experten der Johns Hopkins University. Alle Fragen und Antworten kann man sich auch auf einen Blick anzeigen lassen. Der Chatbot namens Vira („Vaccine Information Resource Assistant“) soll vor allem junge Menschen ansprechen und entsprechend locker rüberkommen.

Die Technik dahinter stammt von IBM. Ihr Herzstück ist die „Key Point Analysis“, eines der Ergebnisse des „Project Debater“. Sie dient dazu, unterschiedlichste Formulierungen des gleichen Anliegens zu erkennen und auf eine zentrale Frage einzudampfen.

Direkte Nachfragen stellen kann man allerdings nicht, denn nach der ersten Antwort wird das Eingabefeld deaktiviert. Stattdessen erscheint eine Liste mit vorformulierten Fragen. Von einem Dialog kann also keine Rede sein. Die Macher wollen ähnliche Chatbots zu Themen wie Rauchen, Blutspende oder Wählen entwickeln.

GREGOR HONSEL