MIT Technology Review 8/2021
S. 88
Horizonte
Drohnen
Foto: Shutterstock/Phoenixns

Das ist kein Schwarm

Erste Streitkräfte setzen autonome Drohnen gegen ihre Feinde ein. Schon kursieren Szenarien wie aus Science-Fiction-Filmen, in denen ganze Schwärme angreifen. Autonome Drohnenschwärme sind jedoch noch lange nicht einsatzreif.

Von Boris Hänßler

Einem Bericht des UN-Sicherheitsrats zufolge hat eine Militärdrohne der libyschen Regierung möglicherweise bereits im März 2020 eine fragwürdige Pioniertat begangen: Zum ersten Mal griff eine autonome Drohne (Unmanned Air Vehicle, UAV) ohne direkten Eingriff von außen einen Menschen an. Der Quadcopter Kargu-2 des türkischen Militärtechnikunternehmens STM soll auf sich zurückziehende Soldaten des libyschen oppositionellen Generals Khalifa Haftar losgegangen sein. Er griff auch Logistikkonvois an. Ob es bei dem Vorfall Tote oder Verletzte gegeben hat, steht nicht in dem Bericht. Die Drohne, die möglicherweise seit Januar 2020 im Einsatz war, soll eine auf maschinellem Lernen basierende Objektklassifizierung verwenden, um selbstständig ihre Ziele zu identifizieren.

Der Angriff wirft jedoch nicht nur die grundlegende ethische Frage auf, ob wir Maschinen über Leben und Tod entscheiden lassen sollten. Weil die Kargu-Drohne – zumindest laut Herstellerangaben – in einem Schwarm mit bis zu 20 anderen gemeinsam agieren kann, befeuerte der Vorfall auch düstere Warnungen von Militärexperten vor massiven Schwärmen autonomer, bewaffneter Drohnen, die feindliche Streitkräfte allein mit ihrer massiven Überzahl überrennen könnten. Doch wie wahrscheinlich sind solche Szenarien wirklich?