Aktuell

ENERGIE

Stromtanker für Offshore-Windparks

Masahiro Ito, Gründer des japanischen Start-ups PowerX, träumt von einem Tanker, der den Strom von Offshore-Windparks an Land bringen soll. Auf Präsentationen sieht das Schiff aus wie ein Zwitter aus U-Boot und Trimaran. Ito nennt es „Tesla der See“. Bereits 2025 soll das erste Exemplar vom Stapel laufen, mit einer Länge von hundert Metern und Platz für hundert containergroße Batterien mit einer gesamten Kapazität von 222 Megawattstunden. Elektrisch angetrieben soll es 300 Kilometer weit fahren können. Auch Pläne für 150 und 300 Meter lange Stromtanker hat Ito parat, allerdings weder einen Investor noch einen Prototyp.

Existiert bisher nur als Rendering: Schwimmende Batterie für hunderte von Megawattstunden.

Bild: PowerX-Rendering

Er will davon profitieren, dass Japan seine Windkraft bis 2030 von 20 Megawatt auf 10 Gigawatt ausbauen will. Wegen der steilen Berge und der Erdbebengefahr ist das Potenzial für Onshore-Windräder allerdings recht klein, und vor der Küste fällt der Meeresboden steil ab. Also müssen schwimmende Windparks her, die ihren Strom mit Kabeln an Land schaffen – oder eben per Schiff. Ob das wirklich günstiger wäre, hat Ito hingegen noch nicht nachweisen können. Lieber wirbt PowerX damit, dass Schiffe weniger in die maritimen Biotope eingreifen würden als Stromkabel.

Martin Kölling

GESUNDHEIT

Stress lässt sich an den Haaren messen

Bei Stress schüttet der Körper das Hormon Cortisol aus. Forscher der Max-Planck-Gesellschaft und der Uni Dresden haben die Cortisolkonzentration nun benutzt, um die Wirksamkeit von Entspannungstechniken zu ermitteln (DOI: 10.1097/PSY.0000000000000970). Dazu schickten sie Menschen über neun Monate hinweg zu Meditationsübungen. Währenddessen nahmen sie regelmäßig Haarproben direkt an der Kopfhaut. Je mehr Cortisol im Körper gebildet wird, desto mehr lagert sich auch in den Haaren an.

Das Ergebnis: In den ersten drei Monaten blieb das Cortisolniveau relativ hoch, im vierten Monat ging es schnell um durchschnittlich 25 Prozent zurück, um dann auf diesem Level zu bleiben. Die Methode ist nach Angaben der Forscher zuverlässiger als etwa eine Befragung von Teilnehmern, ob sie sich entspannt fühlen, weil subjektive Faktoren und der Placebo-Effekt bei der Haaranalyse keine Rolle spielen.

BEN SCHWAN

UMWELT

Sonnenlicht zersetzt Plastik stärker als bisher gedacht

Im Meer treibende Plastiktüten können unter Sonneneinstrahlung bis zu 15 000 verschiedene wasserlösliche Substanzen freisetzen. Das haben Forschende des Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) herausgefunden. „Es ist erstaunlich, dass Sonnenlicht Plastik, das im Wesentlichen aus einer einzigen Verbindung besteht, der üblicherweise einige Zusatzstoffe beigemischt sind, in Zehntausende von Verbindungen zerlegen kann“, sagt WHOI-Forscher Collin P. Ward. Man müsse deshalb nicht nur über die Auswirkungen der Plastikpartikel selbst nachdenken, sondern auch über deren Abbauprodukte.

Die Forschenden haben verschiedene Kunststofffolien in Wassertanks einige Wochen lang natürlichem Sonnenlicht ausgesetzt. Bei reinem Polyethylen konnten die Forscher mit einem extrem leistungsfähigen Massenspektrometer bis zu 9000 verschiedene Zerfallsprodukte nachweisen, bei Plastiktüten von Walmart sogar gut 15 000 Substanzen. „Wir wissen noch gar nicht, welche Auswirkungen all diese Substanzen auf Ökosysteme oder auf biogeochemische Prozesse haben“, sagt Ward. Er sieht schnell zerfallende Kunststoffsorten – die auf den ersten Blick hilfreich sind gegen die Plastikflut – deshalb kritisch.

Zusätzlich zeigt die Studie, dass der Zerfall von Plastikfolien deutlich von Art und Menge der Zusatzstoffe abhängt. Dadurch wäre es prinzipiell möglich, Plastikfolien zu entwickeln, die sich möglichst schnell zu umweltfreundlicheren Substanzen zersetzen.

Jan Oliver Löfken

VERKEHR

Sensoren gegen Lärm-Rowdies

Paris und Amsterdam wollen schärfer gegen laute Autos und Motorräder vorgehen. Die technische Basis dafür bilden Mikrofonsysteme zur Erfassung von Schießereien in US-Städten. In Pariser Vororten kommt das System namens Medusa bereits seit 2019 zum Einsatz. Nun soll es drei Monate lang in zwei weiteren Quartieren getestet werden.

Die Mikrofonmasten eignen sich zur Erfassung von Lärm am Himmel und am Boden.

Foto: Bruitparif

Die Hardware besteht aus vier Mikrofonen und zwei Kameras. Dadurch soll das System in der Lage sein, lärmende Fahrzeuge zu orten und das dazugehörige Nummernschild aufzunehmen. Im Pilotprojekt sollen allerdings noch keine Strafzettel ausgestellt werden. Stattdessen soll sich zunächst zeigen, ob die Technik wirklich wie gewünscht funktioniert. Auch Datenschutzaspekte sind noch zu klären. In Amsterdam wollen Behörden ebenfalls an drei Lärm-Brennpunkten testweise entsprechende Lärm-Blitzer installieren.

Ben Schwan

MEDIZIN

Grippeimpfung gegen Demenz

Eine Kohortenstudie zeigt eine deutliche Korrelation zwischen regelmäßigen Grippeimpfungen und dem Risiko, im Alter an Demenz zu erkranken (DOI: 10.1016/j.vaccine.2021.08.046). Dazu hatten Forschende der Saint Louis University School of Medicine die Akten von 120 000 US-Militärveteranen über 65 Jahren ausgewertet. Nachdem sie die Störfaktoren herausgerechnet hatten, stellten sie fest: Wer sich jährlich gegen Influenza impfen ließ, hatte ein zwölf Prozent niedrigeres Demenz-Risiko als Menschen, die sich nicht jährlich haben impfen lassen.

Eine mögliche Erklärung: Regelmäßige Impfungen trainieren das Immunsystem systematisch. Richard Dodel, Experte der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, hat eine Idee, wie dieser Schutzmechanismus entstehen könnte: Die Impfungen könnten die Zahl der Immunzellen des Zentralnervensystems („Mikroglia“) im Gehirn ansteigen lassen. Ihre Aufgabe ist es, Schadstoffe und Krankheitserreger abzubauen.

Jo Schilling

SCHNITTSTELLEN

Spürbare Hologramme

Anders als echte Hologramme lassen sich die „Pseudo-Hologramme“ von Ravinder Dahiya und seinen Kollegen von der University of Glasgow mit den Händen berühren und manipulieren (DOI: 10.1002/aisy.202100090). Die Forscher verwenden dazu eine Technik, mit der bereits Illusionisten des viktorianischen Zeitalters Gespenster vorgeführt haben: Das Ursprungsbild wird auf eine schräge Glasscheibe projiziert, sodass es für Betrachter im abgedunkelten Raum dahinter zu schweben scheint. Um einen 3D-Eindruck zu erwecken, verwendeten die Forscher nicht nur eine Scheibe, sondern projizierten vier Bilder aus unterschiedlichen Blickrichtungen von unten an eine gläserne Pyramide.

Durch eine Öffnung in dieser Pyramide können Benutzer ihre Hände stecken. Darunter sitzt ein Sensor, der die Bewegungen der Hände und Finger verfolgt. So kann das Grafik-System die Bewegungen des virtuellen Objektes an die Handbewegungen anpassen. Etwas Ähnliches hatte Microsoft Research bereits 2012 mit seinem Holodesk-System gezeigt. Neu ist nun allerdings, dass man die virtuellen Objekte auch spüren kann: Eine bewegliche Druckluftdüse bläst einen Luftstrom variabler Stärke auf die Hände, um ein „haptisches Feedback“ zu erzeugen.

Zur Demonstration zeigten die Forscher eine interaktive Projektion eines Basketballs, der berührt, gerollt und geprellt werden kann – sogar mit unterschiedlicher Kraft, wobei Versuchspersonen den Unterschied zwischen hartem und weichen Aufprall in ihren Handflächen spüren konnten. Im nächsten Schritt wollen die Forscher die Temperatur des Luftstroms so verändern, dass Benutzer heiße oder kalte Oberflächen spüren können. Und sie experimentieren damit, dem Luftstrom Düfte hinzuzufügen.

Wolfgang Stieler