Aktuell

PHOTOVOLTAIK

Viel Strom vom Acker

Genaue Statistiken zur Ausbreitung regenerativer Energien gibt es nur selten, allenfalls grobe Schätzungen, die weit auseinanderliegen: Das Weltressourceninstitut ging 2018 von weltweit 54,3 installierten Gigawatt in 5289 Anlagen aus, die Weltdatenbank der Elektrizitätswerke kam auf 12 915 Anlagen mit insgesamt 107,4 Gigawatt.

Diese Wissenslücke konnten nun Wissenschaftler aus Großbritannien und den USA mit einer Kombination aus Erdbeobachtung und Maschinenlernen schließen. Sie entdeckten zwischen 2016 und 2018 weltweit 68 661 Fotovoltaik-Bauten in 131 Ländern mit Kapazitäten von mehr als 10 Kilowatt. Das waren 432 Prozent mehr als bislang geschätzt und entspräche einer Gesamtkapazität von 350 bis 500 Gigawatt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Solarenergie vor allem in Europa boomt, aber auch in Indien, China, Japan und an den Küsten Nordamerikas. In den sonnenreichen Ländern von Afrika und Lateinamerika, aber auch in Australien sind Solaranlagen kaum verbreitet.

Solarparks wie der im britischen Sandridge stehen oft auf wertvollem Grün- oder Agrarland.

Foto: Goldbeck Solar

Die Satellitenbilder zeigten zudem auch Muster der Landbedeckung, die sie mit älteren Aufnahmen aus der Klimainitiative der europäischen Weltraumorganisation (ESA) verglichen. So konnten sie sehen, dass die meisten Photovoltaik-Anlagen auf Ackerland errichtet wurden. An zweiter Stelle kamen Trockengebiete und Grasland, beide durchaus empfindliche Ökosysteme. Das gilt auch für Europa, wobei Deutschland und Frankreich bebaute Gebiete stärker einbeziehen.

HANNS-J. NEUBERT

DROGENTEST

THC-Nachweis in wenigen Minuten

Da sich Cannabis derzeit auf dem Weg in die Legalität befindet, sind zuverlässige, schnelle Tests nötig, denn Konsumenten können zu einer Gefahr im Verkehr und am Arbeitsplatz werden. Ebenso wie für Alkohol gibt es einen Grenzwert, der im Straßenverkehr nicht überschritten werden darf: 1,0 Nanogramm Tetrahydrocannabinol (THC) pro Milliliter Blutserum.

Bisher wird THC in bis zu fünf Tagen über Urin-, Blut- oder Schweißproben nachgewiesen – selbst bei den sogenannten Urin-Schnelltests. Der EPOCH-Test (express probe for on-site cannabis inhalation), den Forschende des Center for Systems Biology am Massachusetts General Hospital Research Institute in Boston jetzt in „Science Translational Medicine“ vorgestellt haben, weist erst kurz zurückliegenden Cannabis-Konsum aus dem Speichel innerhalb von fünf Minuten mit einem optischen Sensor nach.

Die Messwerte lassen zudem einen direkten Rückschluss auf den Zeitraum zu, in dem Cannabis konsumiert wurde: liegt er bereits 12 Stunden zurück – und die Person ist eigentlich schon wieder „nüchtern“ – oder entfaltet das THC noch seine psychoaktive Wirkung?

JO SCHILLING

3D-Druck

Filigraner Betonbau

Mit mehr als vier Milliarden Tonnen jährlich ist Zement der meistverwendete Werkstoff in der Bauindustrie. Doch Herstellung und Verarbeitung sind für sechs bis acht Prozent der globalen Emissionen an Treibhausgasen verantwortlich. Ingenieure an der TU Braunschweig wollen nun mit 3D-Druck 50 bis 70 Prozent Beton einsparen.

Durch 3D-Druck hergestellte Träger eignen sich besonders für Brücken oder Dächer.

Abbildung: ITE/TU Braunschweig

„Gerade im Betonbau ist es üblich, dass man die Wände massiv betoniert. Wir möchten jedoch eine leichte, aufgelöste Bauweise erreichen, die man eher von Holz oder Stahl kennt“, sagt Dirk Lowke vom Braunschweiger Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz. Er stellt aus Beton fein gegliederte, dreidimensionale Strukturen mit einem 3D-Injektionsdruck-Verfahren her. Dabei wird flüssiger Beton in eine Trägerflüssigkeit gespritzt. Diese Trägerflüssigkeit hält den Beton in der gewünschten Form, bis er ausgehärtet ist. Anschließend wird das Trägermedium entfernt. Übrig bleibt ein filigranes Betongitter.

Parallel zu reinem Beton wird auch an der Kombination mit stabilisierenden Stahlstrukturen oder langen Strängen aus Kohlefasern gearbeitet. Dabei käme nicht nur Beton aus der Düse eines 3D-Druckers, sondern zugleich auch ein Drahtseil oder eine Faser. Die Ingenieure rechnen damit, dass ihr bereits patentiertes Verfahren in gut zehn Jahren für großtechnische Anwendungen zur Verfügung stehen könnte.

JAN OLIVER LÖFKEN

ENERGIE

Reiner Wasserstoff aus Gülle

Wie lässt sich Wasserstoff möglichst umweltfreundlich und vor allem möglichst klimaneutral erzeugen? Eine Alternative zu Wind-, Wellen- und Sonnenkraft haben nun Wissenschaftler aus der Steiermark entwickelt: Verfahrenstechniker an der TU Graz wollen Wasserstoff künftig aus Biogas vom Bauernhof gewinnen – mit Chemical Looping.

Das System soll sich in vorhandene Biogassysteme einbinden lassen, die normalerweise nur der Stromerzeugung dienen. Eine Testanlage mit zehn Kilowatt Ausgangsleistung nutzt dazu ein Prozent des aus Gülle erzeugten Biogases und versetzt es mit Wasserdampf. In einem Reaktor entsteht in einem Reformationsprozess ein Synthesegas. Dieses wird dann zur Reduktion von Eisenoxid zu Eisen verwendet, das bei Zugabe von weiterem Wasserdampf reoxidiert. Dabei entsteht hochreiner Wasserstoff (99,998 Prozent), den die Forscher ableiten.

Das Verfahren soll bei einer ausreichenden Versorgung mit Gülle bestenfalls halb so teuer sein wie der aktuelle Abgabepreis von Wasserstoff an der Tankstelle. Der Druck, mit dem das H2 den Prozess verlässt, liegt allerdings lediglich bei 100 bar und eignet sich damit nicht für konventionelle Speicher und bestehende Fahrzeugtechnik.

BEN SCHWAN

GESUNDHEIT

Hirnstimulation gegen Sucht

Forschende aus den USA und Israel haben untersucht, ob transkranielle Magnetstimulation bei der Raucherentwöhnung hilft. Dabei löst eine Magnetspule durch die Schädeldecke einen kleinen Strom im Hirngewebe aus. Für die Raucherstudie wurde das Gehirn großflächig im Bereich der Frontallappen aktiviert, in denen das Kontrollzentrum sitzt.

Die insgesamt 262 Teilnehmer hatten mindestens einmal versucht, sich das Rauchen abzugewöhnen. Nach sechs Wochen Behandlung waren 28 Prozent der Probanden abstinent – mehr als doppelt so viel wie bei der Vergleichsgruppe, die nur zum Schein behandelt wurde.

Je länger die Behandlung zurücklag, desto mehr Probanden wurden jedoch rückfällig. Ob sich diese Abschwächung mit Booster-Behandlungen auffangen lässt, müssen weitere Studien zeigen. Da die TMS die Resilienz des Gehirns gegenüber dem Suchtmittel erhöht, aber nicht spezifisch gegen Nikotin wirkt, könnte die Methode auch bei anderen Abhängigkeiten wie von Alkohol oder Opiaten helfen.

JO SCHILLING

UMWELT

Popcorn aus Mikroplastik

Mikroplastik ist überall, und etwa 35 Prozent des Mikroplastiks in den Weltmeeren stammt aus unseren Waschmaschinen. Kläranlagen sind eine Möglichkeit, an dieses Mikroplastik heranzukommen, bevor es in die Umwelt gelangt.

Abfischbare Bällchen aus Mikroplastik

Foto: Wasser 3.0

Das gemeinnützige Greentech-Start-up „Wasser 3.0“ aus Karlsruhe hat dazu Hybrid-Kieselgele entwickelt, die Mikroplastik-Partikel aus dem Abwasser fischen. Sie wirken wie Klebstoff auf die Partikel und bilden fluffige Agglomerate, die wie Popcorn aussehen. Dieses Mikroplastik-Popcorn schwimmt auf der Wasseroberfläche und lässt sich von dort einfach mit einem Sieb entfernen oder von der Oberfläche absaugen. Für einen 2000-Liter Testreaktor benötigen sie gerade einmal etwa 50 Milliliter Kieselgel-Suspension.

Seit Sommer dieses Jahres wird die Methode von Wasser 3.0 in einem Langzeit-Pilotversuch erprobt. Zwölf Monate lang wird kommunales Abwasser in einer vierten Reinigungsstufe mit den Hybrid-Kieselgelen gereinigt. Dabei denkt das Team von Wasser 3.0 schon einen Schritt weiter: Sie sehen ihr Verfahren auch als Option für die Reinigung von Industrieabwässern, Flüssen, Seen oder dem offenen Meer. Es soll zudem möglich sein, Schadstoffe anderer Art an die Kieselgele zu binden und damit Wasser etwa von Arzneimittelrückständen, Pestiziden oder per- und polyfluorierten Chemikalien zu reinigen.

JO SCHILLING