MIT Technology Review 1/2024
S. 26
Titel
Künstliche Intelligenz

Kann China KI?

Noch dominieren die USA das Feld, doch China will weltweit führend bei Künstlicher Intelligenz werden. Die ersten chinesischen Sprachmodelle sind eher mittelmäßig, und die staatliche Zensur bremst den Fortschritt. Doch das Rennen ist noch nicht gelaufen.

Eva Wolfangel

Als Baidu Ende März 2023 endlich seinen ersehnten ChatGPT-Konkurrenten Ernie (die Abkürzung steht für Enhanced Representation through Knowledge Integration) der Öffentlichkeit vorstellte, machte in China schnell ein Meme die Runde: Eine schwarze Limousine mit geöffneten Flügeltüren parkt in einer düsteren Gasse neben einem schmutzigen verbeulten Müllcontainer. Dessen Klappen stehen ebenfalls offen. Sie haben große Ähnlichkeit mit den Flügeltüren der Limousine. ChatGPT steht auf der Limousine, während der Müllcontainer den chinesischen Namen für den Ernie-Bot trägt.

Offenbar ist die chinesische Öffentlichkeit nicht zufrieden mit den Leistungen des Sprachmodells, das der Tech-Konzern schon seit Ende Dezember 2021 angekündigt hatte. In der Diskussion darüber, ob Chinas Vorzeige-Chatbot eventuell ein Reinfall ist, steckt aber weit mehr als die Unzufriedenheit über ein schlechtes Stück Software. Hinter dem kritischen Blick auf Ernie und die anderen Chatbots, die Alibaba, Tencent und andere chinesische Hightech-Unternehmen vorgestellt haben – mittlerweile gibt es in China rund 130 große Sprachmodelle – steckt die Frage: Kann China KI? Und kann es das auch besser als der Westen? Schließlich hat die chinesische Regierung das Ziel ausgegeben, das Land werde bis 2030 zur führenden KI-Supermacht der Welt aufsteigen. Allerdings war das vor Corona, vor dem Handelskrieg mit den USA, vor dem Ukraine-Krieg und lange vor ChatGPT.