MIT Technology Review 4/2024
S. 30
Titel
Ernährung
Cassiopeia andromeda ist eine ganz besondere Medusenart. Meistens liegt sie umgedreht auf ihrem Schirm, um Licht für die Mikroalgen in ihren Tentakeln einzufangen.
Cassiopeia andromeda ist eine ganz besondere Medusenart. Meistens liegt sie umgedreht auf ihrem Schirm, um Licht für die Mikroalgen in ihren Tentakeln einzufangen.
Foto: © Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung ZMT / Jan Meier

Speiseplan für Notfälle

Mit Nahrung aus Hochhäusern und Industriebrachen wollen Wissenschaftler die Lebensmittelproduktion krisensicher machen. Eine Hauptrolle sollen Organismen aus dem Meer spielen.

Andrea Hoferichter

Das Verkosten des neuen Lebensmittels übernimmt Andreas Kunzmann vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen auf eigene Gefahr. Denn zugelassen ist es noch nicht. Sein sensorisches Urteil immerhin hat das Zeug zum Werbespot. „Sie sehen rund aus, relativ dünn und sind crispy. Wenn man reinbeißt, knackt es. Der Geschmack: leicht salzig. Insgesamt also durchaus bekömmlich“, sagt der Wissenschaftler. Die Rede ist von Chips, hergestellt aus Quallen der Art Cassiopea andromeda. Auch ihre inneren Werte überzeugen. Essenzielle Aminosäuren steckten drin, berichtet Kunzmann, „also gute Proteine“, zudem Fettsäuren wie Omega-3, Mineralien und Antioxidantien.

Die Meduse ist eine von vier alternativen Nahrungsquellen im Projekt food4future. Salzpflanzen wie der Queller, auch als Meeresspargel bekannt, Makroalgen und Grillen sind die anderen drei. Sie liefern ebenfalls wichtige Amino- und Fettsäuren, zudem Kohlenhydrate und die Vitamine A und B12. Mit dem ungewöhnlichen Mix aus Flora und Fauna wollen die Forschenden die Lebensmittelproduktion krisensicher machen. „Zugrunde liegen die extremen Zukunftsszenarien: ,no land‘ und ,no trade‘“, sagt die Projektleiterin Monika Schreiner vom Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau im brandenburgischen Großbeeren. „Was wäre, wenn uns kein Land mehr für den Anbau zur Verfügung stünde oder wir beim Handel komplett abgeschottet wären? Wie könnten wir uns dann noch ausreichend ernähren in Deutschland?“