Der Handel geht weiter

Soderberghs Film "Traffic" zeigt alle Aspekte des Drogenproblems

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Ein Mann geht gebückt und mit traurigem Blick über den Hof einer mexikanischen Kaserne. Er ist ein kleiner Drogenfahnder in Tijuana und hat eben einen in den Diensten von Drogenkartellen stehenden Killer beim militärischen Antidrogen-Kommando abgeliefert. Nun muss er mit anhören, wie der Mann gefoltert und psychisch gebrochen wird, um an die Namen der Auftraggeber zu kommen.

Das ist einer von vier Handlungssträngen in Traffic, dem neuesten Film Steven Soderberghs. Nach seinem ersten Erfolg "Sex, Lügen und Video" jahrelang nur ein Geheimtipp, wurde Soderbergh mit diesem Film nun zum Regiestar. Vier Oscars, darunter der für die beste Regie, und eine Masse an Feuilletonartikeln zeigen, dass er damit den vielzitierten "Hollywood-Durchbruch" geschafft hat.

Wie man es zuletzt bei "Magnolia" erleben konnte, greifen die Handlungsstränge immer wieder ineinander, nur stehen bei "Traffic" im Mittelpunkt die Drogen. Und es ist genau das, was "Traffic" eigentlich macht: eine Geschichte zu erzählen, in der kunstvoll verwoben alle Seiten des Drogenproblems gezeigt werden: von den normalen Cops diesseits und jenseits der mexikanischen Grenze, über die Dealer und User bis zu den großen Bossen der Kartelle oder dem designierten Chef der amerikanischen Drug Enforcement Agency.

Der (Michael Douglas) entdeckt, dass seine Tochter crackabhängig ist und findet sich plötzlich herausgerissen aus der Drogenpolitik mitten im richtigen Leben wieder. So wie die Frau des Drogenbarons (Catherine Zeta-Jones), deren schöne Welt anfängt zu bröckeln, als ihr Mann verraten und verhaftet wird. Aus den vielen großartigen Schauspielern in "Traffic" sticht Benicio Del Toro als der sensible mexikanische Drogenfahnder heraus und bekam für diese Rolle verdientermaßen einen Oscar. Beeindruckend ist auch Miguel Ferrer als zynischer Dealer mittleren Formats. Nun zum Verräter geworden, zeigt er für die ihn bewachenden Drogenpolizisten nur Verachtung. Drogenbekämpfung ist für ihn sinnlos, sie in diesem Bewusstsein weiter zu betreiben, einfach nur erbärmlich.

Das ist auch der Tenor des Films, nämlich dass die real praktizierte Drogenpolitik keinen Sinn macht und sich die Probleme, wenn überhaupt, nur im sozialen Bereich lösen lassen. Vielleicht ist das ein wenig zu naiv. Überhaupt ist der Film manchmal etwas klischeehaft, dafür überrascht er in anderen Szenen wieder, beispielsweise wenn der schwarze FBI-Cop Montel Gordon (Don Cheadle) seinem Kollegen Ray Castro (Luis Guzman) von seinem "ersten Mal" am observierten Strand erzählt und dieser entgegnet: "Hoffentlich war er zärtlich". Das klingt nach billigem Klamauk und es ist auch witzig, aber man hat schon die menschliche Seite des Drogenpolizisten Castro kennen gelernt und weiß, dass er gerne durch Witze seine Unsicherheit überspielt.

Ansonsten ist Luiz Guzman eher die Lachnummer des Films. Eigentlich schade, wenn man sich ansieht, wie großartig er den Ex-Häftling Eduardo Roel in "The Limey" spielte - auch eine Produktion von Steven Soderbergh. "The Limey" drehte er im Jahr 1999, danach "Erin Brockovich" mit Julia Roberts. Viele seiner Erfahrungen von "The Limey" sind in "Traffic" eingeflossen. So sind einige Szenen mit verwackelten Handkameras gedreht und hektisch geschnitten, so dass der Film hier fast dokumentarisch wirkt.

In den Szenen ohne Kunstlicht ist die Beleuchtung oft unausgewogen, zum Teil überbelichtet - auch im Namen der Freiheit beim Drehen. Der Schnitt des Films trägt die Geschichte perfekt und strukturiert die komplexe Handlung. Zusätzlich verwendet Steven Soderbergh stellenweise grobkörniges Filmmaterial, monochrome Farben und weitere optische Filter. Aber das erscheint nie künstlich, sondern fügt sich in den Fortgang der Handlung und macht den Film immer interessant anzusehen.

Vielleicht ist Steven Soderbergh ein bisschen zu akademisch, aber mittlerweile schafft er es, das soweit möglich zu verbergen, also die Experimente dem Inhalt unterzuordnen. Und so kann ein Film wie "Traffic", der filmisch interessant eine Drogengeschichte erzählt, auch großen Erfolg haben. Anders als andere Filme dieses Kalibers, zeigt Soderbergh Seiten des Drogengeschäfts, die sonst zu kurz kommen: die Schuld der Weißen am Drogenhandel in den schwarzen Ghettos, oder die eigentliche Konsequenz einer erfolgreichen Polizei-Aktion gegen ein Drogenkartell: einen Vorteil für ein konkurrierendes Kartell zu schaffen. Der Handel, der Traffic, geht weiter.