Erfolg für Open Access in den USA

Das Repräsentantenhaus will den Missbrauch von Forschungsgeldern durch Verlage einschränken

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Im Urheberrecht gehen die USA derzeit einen ganz anderen Weg als Deutschland: Während hierzulande mit dem Zweiten Korb der "Urheberrechtsreform" weitere erhebliche Einschränkungen auf Wissenschaft und Forschung zukommen, hat das Repräsentantenhaus der USA der Erzeugung von Monopolrenditen auf Kosten von Wissenschaft und Forschung jetzt Grenzen gesetzt.

Letzte Woche verabschiedete die Kammer mit einer breiten Mehrheit aus beiden Parteien die Fiscal Year 2008 Labor; HHS and Education Appropriations Bill, die eine Regelung enthält, nach der die staatliche Gesundheitsbehörde National Institute of Health angewiesen wird, die Ergebnisse von Forschungen, die ganz oder teilweise mit öffentlichen Geldern durchgeführt wurden, spätestens zwölf Monate nach ihrer Veröffentlichung kostenlos online zur Verfügung zu stellen. Auch der Senat soll dem Gesetz noch in diesem Sommer zustimmen. Es ist zu erwarten, dass der wissenschaftliche Abstand zwischen den USA und Deutschland durch die beiden sehr unterschiedlichen Rechtsänderungen, die in den letzten Wochen verabschiedet wurden, weiter wächst.

Anders als in Deutschland konnten in den USA Bündnisse wie SPARC (Scolarly Publishing and Academic Resources Coalition) und ATA (Alliance for Taxpayer Access) die Interessen von Wissenschaftlern und Verbrauchern bündeln und sich so gegen die Verlagslobbyisten durchsetzen. Eine Rolle dabei spielt wahrscheinlich, dass die wichtigsten Profiteure (Elsevier und Springer) in Europa beheimatet sind und keinen entsprechend direkten Zugriff auf amerikanische Politiker hatten.

Heather Joseph, Direktorin von SPARC zeigte sich erleichtert, dass einer Mehrheit im Repräsentantenhaus vor Augen geführt werden konnte, dass der freie Zugang eine unverzichtbare Stütze der Wissenschaftsförderung ist und Sharon Terry von der Genetic Alliance, sprach von "unnötigen Barrieren", die jetzt beiseite geräumt wurden.

Unter anderem hatten sich 26 Nobelpreisträger für den Erlass eines verpflichtenden Open-Access-Gesetzes ausgesprochen, wobei sie hervorhoben, dass die Regelung keine "Strafe" ist (als die sie von den Verlagen dargestellt wurde), sondern eine Selbstverständlichkeit, die nur dafür sorgt, dass auch die Wissenschaftler von den Früchten ihrer Arbeit profitieren. Zudem verwiesen sie auf die positiven Erfahrungen mit der Human Genome Datenbank.

Selbstbindung der Verlage blieb ohne Ergebnis

2005 hatten die Verlage mit dem Versprechen, freiwillig Ergebnisse online zu stellen, den Erlass eines Gesetzes verhindern können. Die Regelung entpuppte sich als Reinfall auf der ganzen Linie: Nicht einmal 5 % des Materials wurde wirklich kostenlos und frei verfügbar angeboten.

Mit dem neuen Gesetz sollen nicht nur Wissenschaftler, sondern alle Bürger Zugang zu den Veröffentlichungen bekommen. Dass Krankenschwestern, Sanitäter und niedergelassene Ärzte, die normalerweise den aufwändigen Gang in Forschungsbibliotheken allein aus Zeitgründen scheuen, jetzt schnell und umkompliziert auf aktuelle Forschungsergebnisse zugreifen können, dürfte zu einer Verbesserung der Gesundheitsversorgung führen. Und nicht zuletzt können Patienten sich und dem Gesundheitssystem auch Kosten ersparen, wenn sie über das Internet bestimmte Krankheiten ausschließen und sich dadurch den einen oder anderen Gang zum Arzt sparen oder ihn vielleicht sogar auf eine mögliche Fehldiagnose hinweisen können, bevor Schaden angerichtet wird.

Mehr als ein Wermutstropfen ist jedoch, dass die Regelung auf die Bereiche Biologie und Medizin begrenzt ist. Allerdings ist das schon wesentlich mehr, als für Europa zu erwarten ist, wo der Zug in die entgegengesetzte Richtung zu fahren scheint.

Das Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft konnte sich weder bei der Bundesregierung noch in den Parlamenten oder in der Presse gegen die Verlagslobbyisten durchsetzen, die es sogar schafften, dass der Wuppertaler "Makroökonom" Paul J.J. Welfens die Entstehung wissenschaftlicher Artikel in geradezu gegendarstellungsfähig grotesker Weise verzerren durfte, ohne dass dies für seine Karriere negative Folgen hatte.

Offenbar unter der sachten Obhut solcher Argumente befand der Bundesrat in einer Stellungnahme im Mai, dass der freie Zugang zu öffentlich geförderten Forschungsergebnissen "in einem Spannungsfeld mit dem Schutz des geistigen Eigentums" stünde und die "Verwertungsrechte" von Verlagen gefährde.

Obwohl die fast ausschließlich von Bibliotheken bezogenen Publikationen keinerlei Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind und die Verlage so Monopolrenditen von über 40 % erwirtschaften können, berief sich das Ländergremium auf diesen nicht vorhandenen Wettbewerb, der angeblich dazu führe, dass die "traditionellen Publikationsinstanzen" die "hohe Qualität" der Veröffentlichungen sichern und so eine "zentrale Rolle" in der Wissenschaft spielen würden. Außer Acht ließen sie dabei, dass die Arbeit des "peer review" nicht von den Verlagen, sondern von Wissenschaftlern geleistet wird. Durch die von der EU-Kommission angekündigte "Kofinanzierung von Forschungsinfrastrukturen" sah der Bundesrat sogar die Frage aufgeworfen, "inwieweit die wissenschaftliche Informationsversorgung eine öffentliche Aufgabe ist".