Facebook-Revolution in Ägypten?

Aktivisten rufen in Facebook erneut zu Generalstreik auf, die ägyptische Regierung versucht, mit einer Lohnerhöhung von 30 Prozent dem Protest den Wind aus den Segeln zu nehmen

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Schon am 6. April wurde unter anderem auf Facebook zu einem Streik in Ägypten aufgerufen, um damit gegen Korruption, für höhere Löhne und die Kontrolle der Preise vor allem für Nahrungsmittel einzutreten. Dem Aufruf, schwarze Fahnen an die Balkone zu hängen und schwarze Abzeichen zu tragen, folgten landesweit nur wenige, allerdings kam es in Al Mahla Al Kubra zu Unruhen, bei denen Menschen getötet und über hundert Protestierende von der Polizei verletzt wurden. Anschließend nahm die Polizei zahlreiche Blogger und Aktivisten fest, die sie für die Unruhen verantwortlich machte. Die Regierung steht unter Druck.

Poster des für 4. Mai geplanten Anti-Mubarak-Protests

Trotz des harten Vorgehens der Polizei rufen einige ägyptische Blogger erneut in Facebook zu einem Generalstreik am 4. Mai auf, dem 80. Geburtstag des ägyptischen Präsidenten. Aufgerufen wird zu friedlichen Protesten. In der ersten Woche des Mai soll kein Fleisch gekauft werden, Demonstrationen sollen an vorerst geheim gehaltenen Orten stattfinden, treffen will man sich in Moscheen und Kirchen, um dann auf die Straßen zu gehen. In Ägypten wurde Facebook neben Blogs für die jungen Menschen mangels anderen Möglichkeiten zu Mitteln der freien und kritischen Meinungsäußerung und nun auch zu einem, um Proteste zu initiieren und zu organisieren.

Esraa Abdel-Fattah, die Gründerin der Facebook-Gruppe, die am 6. April zum Streik aufgerufen hatte, war am 7. April festgenommen und am 23. wieder freigelassen worden. Sie betont, sie würde sich nun von jeder "virtuellen Aktivität" fernhalten, sie wisse auch nichts von neuen Aufrufen. Zunächst hatte der zuständige Staatsanwalt sie nach der Festnahme gleich wieder freilassen wollen, das aber passte dem Innenminister nicht, der auf weitere Haft bestand. Das demonstriert auch die Unsicherheit der Behörden. Allerdings wurde Abdel-Fatah, wie die Zeitschrift Al-Ahram schreibt, durch die Festnahme zu einer Art Heldin der neuen Opposition.

In Regierungskreisen überlegt man, den Zugang zu Facebook zu blockieren oder zumindest streng zu überwachen, um die Kommunikation der oppositionellen Internetnutzer zu stören. Allerdings halten sich viele der oppositionellen Parteien und Bewegungen bislang noch von den Facebook-Aktivisten fern. So sagt Hussain Abdul Razeq, Generalsekretär der linken Tagammu-Partei, die am Streik am 6. April nicht teilgenommen hat: "Wir können nicht blind den Fußspuren von jungen Leuten folgen, die keine klare Identität und keine Erfahrung haben." Auch die anderen nichtreligiösen Parteien halten Abstand, während nun die Musimische Bruderschaft, die größte Oppositionsbewegung, am 4. Mai teilnehmen wird. Mahdu Akef, der Führer der Bewegung, rief die Menschen auf, an diesem Tag in friedlichem Protest zuhause zu bleiben.

Dagegen sprechen sich allerdings wiederum auf Facebook einige Aktivisten aus, sie wollen sich nicht mit den Islamisten verbrüdern. Andere Blogger sind allerdings gar nicht mit der Politisierung einverstanden. So gab der bekannte und linke Blogger Hossam el-Hamalawy in seinem Blog bekannt, dass er nicht mehr hinter dem neuen Streikaufruf steht. Durch die Medienberichte und politische Aufmerksamkeit würden sich die Facebook-Aktivisten bei weitem überschätzen. Und es hat sich auch eine Anti-Streikgruppe auf Facebook etabliert. Global Voices Online hat ein informatives Gespräch mit der Bloggerin Nora Younis über die Bedeutung von Internet, Facebook und Twitter sowie SMS für die politische Jugendbewegung.

Nach Safwar Al Allem, einem Professor für politische Medien an der Universität in Kairo, hat sich die Jugend von den etablierten politischen Parteien abgewendet, von denen sie nichts mehr erhofft. Stattdessen hätten die jungen Menschen "im Internet und vor allem in Facebook ein Forum gefunden, um ihre Ansichten frei zu verbreiten und Lösungen vorzuschlagen". Die Möglichkeiten des Internet wurden auch gleich ausgenutzt und ein Blog eröffnet, um Informationen und Bilder über den Protest vom 6. April zu sammeln und zu verbreiten. Andere Blogger versuchten, möglichst kontinuierlich über das Geschehen zu informieren.

Ob es der angekündigte Streik oder die allgemein wachsende Kritik an der Regierung war, so hat Mubarak am 1. Mai angekündigt, dass schon in diesem Monat die Löhne um 30 Prozent angehoben werden sollen – die privaten Arbeitgeber sollen nachziehen. Damit soll den Protesten der Wind aus den Segeln genommen werden. Man wolle, so Mubarak, ein Gleichgewicht zwischen Löhnen und steigenden Preisen schaffen, zudem sollen Preissteigerungen besser kontrolliert und die Korruption bekämpft werden. Die Protestbewegung würde mit den Ankündigungen, die vermutlich nicht viel mehr als diese bleiben werden, allerdings bereits einen ersten Erfolg einfahren. Schließlich warnte Mubarak auch vor Versuchen, der Gesellschaft Schaden zuzufügen, und drohte an, gegen alle scharf vorzugehen, die Gerüchte und Frustration verbreiten. Wie Al-Ahram berichtet, seien die Sicherheitsmaßnahmen bereits hochgefahren worden, um ohne Verzug gegen Störenfriede vorgehen zu können. Überwacht würden besonders Internet- und Handykommunikation, die Provider seien angewiesen worden, Informationen über Kunden zu sammeln.