Irak: Regierung streicht Spitzenposten

Drei Vizepräsidenten weniger, Ministerämter werden gestrichen, ebenso Beraterposten und Geld für Securityfirmen: Abadis Kampf gegen die Korruption als letzte Chance für die Zentralregierung

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Die dröhnende Hitze im Irak, mit Temperaturen über 50° Celsius, hat eine Rolle gespielt, dass einmal nicht der IS, sondern die irakische Regierung als Akteur in Erscheinung tritt: Iraks Premierminister Abadi will in der "Grünen Zone", in Bagdads Regierungsviertel, aufräumen. Das sei keine der üblichen Reformspruchblasen, sondern gehe ans Eingemachte, lauten die ersten Reaktionen. Abadi stehe wegen der zahlreichen Proteste der jüngsten Zeit (Irak: Hitze und Proteste) mit dem Rücken zur Wand.

Abadis Reformplan setzt tatsächlich sehr weit oben an. Er will lukrative Regierungsposten an der Spitze streichen: drei Vize-Präsidentenposten und auch das Amt des stellvertretenden Premierministers soll es künftig nicht mehr geben.

Haider al-Abadi; Foto: US-Regierung. Gemeinfrei

Auch andere Spitzenämter werden gestrichen: die Posten im Kabinett werden von 27 auf 15 gekürzt. Höhere Positionen in "unabhängigen Körperschaften", Berater- und Direktorenposten, die politischen und konfessionellen Quoten zu verdanken sind, sollen ebenfalls abgeschafft werden. Überdies verfügte Abadi, dass keiner der höheren Staatsvertreter das Land verlassen dürfe, um zu verhindern, dass Personen mit dicken Geldkoffern abreisen.

26 Milliarden Dollar verschwunden

Über die Stellenstreichungen und das Reiseverbot für Spitzenfunktionäre hinaus plant die Regierung Abadi empfindliche Kürzungen bei den Aufträgen der Security-Firmen, die für den Schutz von Politikern gutes Geld kassieren, wie auch die Auftraggeber. Künftig soll es nicht mehr möglich sein, über einen Vertrag mit einem ausländischen Unternehmen einen eigens geschaffenen politischen Posten mit tönenden Namen zu besetzen, der die Konten, Koffer und Anzugtaschen mit Dollarnoten füllt.

26 Milliarden Dollar seien während der Regierung al-Maliki aus den öffentlichen Kassen verschwunden, hält Abadis Regierung den Vorgängern entgegen. Jetzt wolle man den Korruptionssumpf austrocknen, mit dem Reformplan. Das Kabinett hat schon zugestimmt, einstimmig. Das Parlament muss noch zustimmen und manche Veränderungen, wie die Streichung der Vizepräsidentenstellen, benötigen Verfassungsänderungen. Der Ministerpräsident braucht also eine satte Mehrheit auf seiner Seite.

Da auch prominente Politiker Opfer der Stellenkürzungen sind, der genannte Vorgänger Nuri al-Maliki, dazu der von den USA gehätschelte Iyad Allawi, wird die Durchsetzung der Reformen kein leichtes Spiel. Allawi hat bereits Widerstand angekündigt. Aber die Proteste der letzten Wochen, ausgelöst durch die Hitzewelle und den stundenlangen Ausfall der Klimaanlagen und Ventilatoren, signalisierten der Politikerelite im Irak, dass eine Veränderung unumgänglich ist.

Druck von der schiitischen Geistlichkeit und der Straße

Die Infrastruktur ist marode, ein Neuaufbau ist nur möglich, wenn dafür bereitgestelltes Geld nicht irgendwo versickert. Der Druck wurde sehr groß, als auch der einflussreiche Ayatollah Sistani die Regierung vor ein Entweder/Oder stellte. Wenn er weiter auf seine Unterstützung zählen wollte, so ließ Sistani verstehen, so müsse Abadi "die korrupten Politiker mit eiserner Faust bekämpfen, egal, welche Position sie bekleiden".

Die schiitische Geistlichen unterstützen die Kampfansage. Der Schiitenführer Muktada drohte damit seine Anhänger auf die Straße zu schicken, falls die Reformen gestoppt werden.

Würde die Zentralregierung, die eingesetzt wurde, um eine nationale Verständigung herzustellen, scheitern, dann wäre man im Irak einen Schritt näher am Auseinanderbrechen des Landes, kommentieren Beobachter. Demnach hat Abadi eine letzte Chance ergriffen. Ob die Reformen in dieser Drastik durchgesetzt werden und ob es damit der irakischen Regierung gelingt, wieder Vertrauen aufzubauen, ist freilich offen.

[Update]: Das Parlament hat den Reformen zugestimmt.