Kampf gegen IS: US-Generäle misstrauen der irakischen Armee

Laut Geheimbericht fürchtet das amerikansche Militärkommando, dass die irakischen Streitkräfte von Extremisten unterwandert sind

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25 Milliarden Dollar haben die USA nach Angaben der New York Times in den jahrelangen Aufbau der irakischen Armee gesteckt. Ein Geheimbericht des US-Militärs, welcher der Zeitung angeblich vorliegt, stellt nun fest, was schon während des Aufbaus und der Ausbildung der irakischen Armee im letzten Jahrzehnt kritisiert wurde: Dass ihre Schlagkraft wenig verlässlich ist. Nun sieht sich die amerikanische Militärführung mit Problemen konfrontiert, wie sie die irakische Armee im Kampf gegen die Dschihadisten unterstützen kann.

Die US-Generäle schätzen die augenblicklichen Fähigkeiten der irakischen Streitkräfte gegenüber den "Kalifat"-Krieger nicht besonders hoch ein; die irakischen Soldaten könnten Teile Bagdads halten, falls die IS es auf die Erboberung der Haupstadt abgesehen habe, aber vermutlich nicht lange. Weswegen die USA auf eigene Soldaten, eine 200 Mann starke Elitetruppe sowie Hauschrauber und Drohnen, setzten, um den strategisch wichtigen Flughafen Bagdads zu sichern. Bei der Rückeroberung der Gebiete, welche der Islamische Staat eingenommen hat, traut man der irakischen Armee nicht besonders viel zu.

Die Frage, die die Generäle beschäftigt, ist, wo die US-Hilfe, "Berater" und Gerät, bei der irakischen Armee effektiv eingesetzt werden soll, ohne in zu große Risiken zu laufen. Nur die Hälfte der irakischen Truppen wären überhaupt für eine Unterstützung durch "amerikanische Kommandos" geeignet, zitiert die Zeitung aus dem Militärbericht. Laut Einschätzung der US-Militärs sind große Teile der irakischen Armee "unterwandert" bzw. infiltriert von sunnitischen Extremisten und von schiitischen Milizen, auf die sich Maliki stützt. Diese hätten enge Verbindungen zum Iran, zu den revolutionären Garden.

Womit einmal mehr auch der seltsame Spreizschritt angesprochen wird, von dem seit Beginn der Eroberungsfeldzüge der Dschihadisten im Irak immer wieder mal die Rede ist: Wie soll das gehen - im Irak gemeinsam Front mit Iran gegen die Dschihadisten machen und ein paar hundert Kilometer weiter, in Syrien, Front mit Milizen gegen eine Staatsführung machen, die von Iran unterstützt wird?

In Syrien hoffen angeblich moderate Milizen, die Baschar al-Assads Regierung bekämpfen, mit Verweis auf ISIL auf mehr Unterstützung von den USA (vgl. Syrian opposition plan to oust Islamist extremists awaits U.S. Hearing). Zu dieser schwierigen Bündnisgeometrie kommt, dass die Regierung des engsten Partners im Nahen Osten, Israel, momentan das Feindbild Iran wieder ganz hoch gehängt hat (Von Gaza nach Teheran?).

Von regionalstrategischen Komplikationen abgesehen fürchten die US-Generäle offensichtlich um die Sicherheit der US-Kommandos, die mit irakischen Einheiten zusammenarbeiten, denen nicht zu trauen ist, und dass militärisches Gerät in Hände geraten könnte, in denen man sie nicht sehen will, ein Problem, das aus Syrien bekannt ist. Manche im US-Kommandostab sind laut Zeitungsbericht davon überzeugt, dass es reiche, wenn man nur auf die Unterstützung der vertrauenswürdigen Hälfte der irakischen Armee zurückgreife. Unklar ist aber, wie man dies verlässlich einschätzen kann. Besonders verlässlich sind die amerikanischen Einschätzungen über vertrauenswerte Verbündete im Nahen Osten bislang nicht, auch das zeigt ein Blick nach Syrien und in den Irak während der US-Besatzung.

Laut General Dempsey setzt die US-Militärführung im kritischen Fall des weiteren Vormarsches der Dschihadisten auf Luftangriffe. Nach dem Lagebericht der amerikanischen Institute for the Study of War (ISW) spielen Stämme und schiitische Milizen eine bedeutende Rolle, um die Dschihadisten aufzuhalten.

Bemerkenswert ist auch der Riss, der sich im Zweckbündnis zwischen IS-Kämpfern und den Sunniten unter der Führung ehemaliger irakischer Baathisten immer wieder auftut. Hier liegt eine Chance für Bestrebungen, Sunniten aus dem Bündnis mit IS herauszulösen, aber auch das Risiko, durch falsche Politik, eine Position zu verstärken, die auch unter moderaten, urbanen Sunniten verbreitet sein soll, wonach Maliki der schlimmere Feind ist (vgl. Middle-class Sunnis say they prefer militants to Maliki).