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Actionfigur, Comic, Film, Computerspiel - Transformers sind extrem wandlungsfähig!

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Merchandising und Transmedialität sind heute aus der Kulturindustrie nicht mehr fortzudenken. Am Beispiel des Phänomens Transformers lässt sich zeigen, wie die Medienwechsel vollzogen werden - und dass die damit verbundenen Intentionen nicht immer aufgehen.

Zuerst, 1984, gab es sie als Spielzeug: vom Auto zum Roboter umbaubare Actionfiguren. Dann, um den Verkauf dieser Actionfiguren anzukurbeln, schon im selben Jahr auch als Zeichentrickserie im Fernsehen. Und bereits ab diesem Punkt war es nicht mehr allein der Werbeeffekt, dem die Transformers-Produkte ihr Image verdankten.

Bilder: UIP

Es entstand ein Universum mit eigenen Geschichten, Mythen und Persönlichkeiten, an das wiederum mit weiteren Produkten angeschlossen wurde: Mitte der 1980er Jahre eine Comic-Heft-Serie von Marvel, kurz darauf der erste Zeichentrick-Kinofilm, der jedoch trotz seiner fulminanten Sprecher-Besetzung (u. a. Leonard Nimoy, Orson Welles, Eric Idel) kaum Beachtung fand. Michael Bays neuer „Transformers“-Film gliedert sich nun in diese Verwertungskette ein und kurbelt die Produktion neuer Transformers-Derivate an.

Interessant sind nicht allein die Marktmechanismen, nach denen solch eine Verwertungskette umläuft. Dass sich am Merchandising die Strategien der Kulturindustrie besonders deutlich zeigen lassen, ist ein offenes Geheimnis. Die Frage ist doch aber vielmehr, welchen besonderen Reiz die mannigfaltige Palette an Artikeln zu einem bestimmten Kulturprodukt auf den Zuschauer/Käufer ausübt. Das Phänomen ist ja keineswegs neu - die Wellen, die etwa George Lucas' Sternenkriegs-Filme oder Peter Jacksons „Herr der Ringe“-Trilogie im Merchandising-Meer geschlagen haben, sind bis heute noch nicht abgeebbt.

Schon Mitte des 19. Jahrhunderts begannen Schokoladenhersteller ihren Produkten Sammelbildchen beizulegen, um dem Käufer einen weiteren Grund bei der Entscheidung für ihr Produkt zu geben. Was kann solch ein Grund sein?

Werk und Beiwerk: Transmedialität

Es besteht offenbar eine Verbindung zwischen dem emotionalen Bezug, den der Käufer zwischen der Erstbegegnung mit dem Werk und seiner Wiederbegegnung mit dem Beiwerk herstellt und dieser ist reversibel: Der Kunde kauft das Merchandisingprodukt, weil er das Originalprodukt mochte und wird dadurch wiederum emotional an das Originalprodukt gebunden. Marketingstrategen setzen genau an diesem psychischen Mechanismus an und versuchen mit kreativen Produktneuschöpfungen den Kunden dazu zu bringen, das emotionale Startkapital in weitere Merchandisingprodukte zu investieren.

Darüber hinaus bildet Merchandising aber auch ein narratologisches Phänomen ab. Eine Fiktion wirkt umso realistischer/authentischer, je vielfältiger sie in ihren Details ausgestaltet ist. Das begrenzte Erzählpotenzial eines Films oder Buches wird durch Fortsetzungen, Fankultur-Produkte und nicht zuletzt eben Merchandising erweitert und damit plastischer.

Die Frage, welchen (medien)spezifischen Aspekt man in einem Merchandising-Produkt erfolgreich abbilden kann, zeigt ein Blick auf das Phänomen Transformers. Mit den Actionfiguren zu spielen, heißt, sie in der Fantasie zu animieren. Eine Zeichentrickserie mit diesen Figuren greift diese Imagination auf und führt dem Spielenden vor Augen, wie es wäre, wenn sie tatsächlich animiert wäre.

Darüber hinaus versorgt es den Spieler mit einem narrativen Background und liefert erzählerische Vorlagen, die dann in das eigene Spiel integriert werden können. Ein Medium oder Medieninhalt muss also gewisse narrative „Schnittstellen“ (Gemeinsamkeiten) bieten, um Gewinn bringend in ein anderes Medium transformiert werden zu können. Diese reichen von der bloßen Fähigkeit, sich von einem Auto in einen Roboter und zurückzuverwandeln bis hin zu einer Mythologie, aus der sich weitere Produkte ableiten lassen.

Perspektivwechsel

Waren bei den Transformers-Actionfiguren, dem Zeichentrickfilm und dem jüngst erschienenen Computerspiel „Transformers - The Game“ die Protagonisten noch hauptsächlich die Roboter, so bringt der Film nun eine menschliche Perspektive in den Diskurs. Michael Bays Film erzählt von einem Konflikt zwischen den „Autobots“ und den „Decepticons“, von denen erstere die Erde vor letzteren beschützen wollen. Grund für den Konflikt zwischen beiden Roboter-Typen ist der mysteriöse Energiewürfel „AllSpark“, der auf der Erde von einer US-amerikanischen Geheimorganisation verborgen wird.

Mithilfe „AllSparks“ wollen die „Decepticons“ alle Maschinen auf der Erde in Roboter verwandeln und den Planeten auf diese Weise erobern. Der Standort des Würfels ist auf einer Brille eingraviert, die dem Ururgroßvater des Teenagers Sam gehörte und die dieser bei Ebay zu verkaufen versucht hatte. Das ist den außerirdischen Robotern nicht verborgen geblieben und so hängt der Erfolg, die Erde zu zerstören oder zu retten davon ab, Sam als Ersten ausfindig zu machen.

Michael Bays Film greift Versatzstücke der, durch die Comics und Zeichentrickserie entwickelten Mythologie auf, um seinen Plot zu motivieren, hält sich aber ansonsten nur wenig mit erzählerischen Details auf. Wie man es aus Bays Filmen kennt, stehen Actionsequenzen, Waffenfetischismus und ideologische Unzweideutigkeit im Zentrum. Und auch in „Transformers“ hält er sich diesbezüglich wenig zurück: Nachdem das Militär alle gängigen Feindbilder (Russland, China, Nord Korea) ausgeschlossen hat, bleibt ihm nur noch, die übermächtige extraterrestrische Gefahr zum Feind zu erklären.

Doch vor den Sieg über den Gegner hat der Kriegsgott nun einmal erst den Kampf gestellt und der tobt in „Transformers“, der im Wesentlichen von Technologie handelt, nun einmal in der Technologie selbst: Die Roboter durchbrechen die sicherste Firewall der Regierung in Sekunden, infizieren deren Computer mit Viren und schicken ominöse akustische Mitteilungen durch das Netz, um ihre Aktionen zu koordinieren. „Sieht aus, als wäre da 'ne Art von Botschaft in dem Signal versteckt“, unkt einer der eigens von der Regierung rekrutierten „Verschlüsselungsexperten“ und sagt damit einiges über den Film, in dem er mitspielt, aus.

Ihr Krieg. Unsere Welt. Deine Wahl.

Zum Start von Bays Film erschien auch ein neues Computerspiel (das natürlich nicht das erste seiner Art war: Bereits 1985 reüssierte Ocean Software mit einer 8-Bit-Variante. Das neue „Transformers - The Game“ speist sich nahtlos in die Verwertungskette und den Erzählfundus von Transformers ein, bezieht sich aber mehr auf Bays Film als auf das ihm zugrunde liegende.

Entweder weil das Spiel unter Zeitdruck (zeitgleich mit dem Film) erscheinen musste oder weil Bays Geschichte einfach nicht mehr genug hergab, hat man sich jedoch dazu entschieden, die Möglichkeiten, die ein solches Spiel liefern könnte, außer acht zu lassen. Man spielt den Filmplot nach und bekommt - häufig sogar identische - Filmclips zwischen den einzelnen Etappen gezeigt.

Bemerkenswert an „Transformers - The Game“ ist jedoch nicht nur die Lust an der Zerstörung, die Film und auch Spiel an den Tag legen, sondern vor allem die Tatsache, dass man im Spiel eine Wahlmöglichkeit hat, die einem bislang nur bei den Action-Figuren offen stand: Man kann auch für die Seite der „Decepticons“ an den Controller treten und versuchen, in den Besitz des „AllSparks“ zu gelangen.

Damit wirft man aber trotzdem noch einen - wenn nun auch ideologisch spiegelverkehrten - Blick auf die Filmhandlung. Das Spiel unterläuft mit dieser Wahlmöglichkeit jedoch einen ganz gewichtigen Aspekt des Films: die Fetischisierung des Militärs und kritiklose Darstellung der US-Ideologie.

More than meets the Eye!

„Du bist jetzt Soldat“, sagt einer der Offiziere im Film irgendwann zu Sam und beendet damit dessen langen Weg fort vom neutralen Teenagerdasein hin auf die patriotische Seite der Macht. „Transformers“, daraus mach Michael Bay keinen Hehl, ist vom US-Militär unterstützt worden - sogar die im Film gezeigten F-22-Kampfjets sind - anders als vieles andere - kein CGI-Produkt, sondern Airforce-Inventar. Bay, dessen Faible für das US-Militär hinreichend bekannt ist, hat einen überaus sauberen, familienfreundlichen und eindeutigen Film inszeniert: Keine Sexszene, hoch gehaltene Familienwerte, saubere Gewalt, Bevorzugung amerikanischer Automobilmarken, ja selbst, dass man sich bei Verfolgungsjagden anzuschnallen hat - und daraus sogar noch erotischen Mehrwert schlagen kann, transportiert der Film als Message.

Das garantiert vor allem eine niedrige Altersfreigabe um das eigentliche Zielpublikum erreichen zu können: Jungs ab 12 Jahren (in den USA hat der Film ein PG-13, in Deutschland ein FSK 12 bekommen).

Diese „Cleanheit“ im Verbund mit der Beteiligung des Militärs zeigt natürlich schon, dass der Film ein dementsprechendes Ziel verfolgt: Nämlich der Zielgruppe den Militärdienst schmackhaft zu machen. Das funktioniert mit dem Film vielleicht - im Spiel jedoch nur, wenn man sich für die richtige Seite entscheidet.

Spielt man nicht als Autobot, sondern als Decepticon, unterläuft man diese Agenda und stellt sich gegen Demokratie, Freiheit und Rekrutierungsansinnen. Damit führt der Merchandising-Ableger dem Produkt, dem es entspringt, eine weitere Facette hinzu, die man schon beinahe eine dekonstruktive Gegenlektüre nennen könnte. Das passt zur Narratologie der oben diskutierten Merchandising-Logik, denn abermals wird eine neue Perspektive in die Erzählung von Transformers eingebracht.

Ob sich trotz des enormen Kostenaufwands, mit dem Film und Spiel produziert wurden, allerdings noch mehr Potenzial und Kapital aus den „Transformers“ schlagen lässt, ist fraglich: Es existiert ja bereits fast alles, könnte allenfalls noch einmal neu aufgelegt werden. Dazu sind die Faszinationshalbwertzeiten der Zielgruppe heute jedoch wahrscheinlich zu kurz.