Neue Massenvernichtungswaffe Gene Editing

NSA-Zentrale. Bild: NSA

Die Welt der US-Geheimdienste

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Ein Geheimdienstchef, noch dazu der oberste Geheimdienstchef der USA, warnt vor Gefahren, in der Regel vor zunehmender Gefährdung. Gerade hat James Clapper, der Director of National Intelligence (DNI), erklärt, er könne sich in seiner 50-jährigen Erfahrung im "Geheimdienstgeschäft" nicht "an unterschiedlichere Probleme und Krisen erinnern, mit denen wir heute konfrontiert sind". Weil gerade aktuell, warnte er in dem Bericht über die weltweiten Bedrohungen der Geheimdienste vor dem Streitkräfteausschuss des Senats besonders vor Nordkorea als derzeit größter nukleare Bedrohung, während der Iran nach dem Atomabkommen nach hinten rutscht.

Wieder warnte er vor den Cybergefahren, wobei nicht mehr so sehr Cyberangriffe im Zentrum stehen, sondern die Möglichkeiten, Daten etwa bei Waffen oder Infrastruktursystemen zu manipulieren. Die Achse des Bösen bleibt aber auch hier gewahrt. Allen voran stehen Russland und China, gefolgt von Iran und Nordkorea. Daneben drohten die Aufrüstung im Weltraum, Folgen der Klimaerwärmung, der transnationalen Kriminalität oder der Massenfluchten. Beruhigend ist, dass nach Ansicht der US-Geheimdienste weder von der Politik noch von der Wirtschaft der USA oder der befreundeten Nationen Gefahren ausgehen. Die Implikationen aufzudecken, ist freilich auch nicht die klassische Aufgabe der Geheimdienste, die immer nur die Gefahren von außen entdecken. Es wäre an der Zeit, parallel zu den Geheimdiensten und mit ähnlichen Mitteln ausgestattete Dienste einzusetzen, die realistisch die intendierten und unbeabsichtigten Folgen des Regierungshandelns und der mit diesem verbundenen Gruppen und Lobbys aufdecken, um manche der Gefahren zu minimieren, die jetzt die Geheimdienste propagieren.

Dazu kommt der Terrorismus, so würde der Islamische Staat, aber auch al-Qaida, erwähnt wird AQAP in Jemen oder AQIP in Mali, die USA gefährden. Man fürchtet Angriffe wie in Paris, vor allem aber Anschläge von "homegrown"-Terroristen. Interessant ist, dass bei den al-Qaida-nahen Gruppen solche in Somalia, Pakistan oder Afghanistan, aber auch in der Türkei erwähnt werden, aber die ziemlich einflussreiche al-Nusra in Syrien nicht. Auch andere islamistische Kampfgruppen in Syrien tauchen nicht als Probleme auf. Neben den sunnitischen Terroristen wird auf deren schiitischen Gegner hingewiesen. Als einziger Staat, der Terrorismus unterstützt, wird nur der Iran genannt. Daran wird deutlich, wie selektiv aus politischen Gründen die Geheimdienste ihre Bedrohungsszenarien zumindest öffentlich vorstellen. Natürlich wird einmal wieder darauf hingewiesen, dass Terroristen sich frei verfügbare Verschlüsselungstechniken zunutze machen. Die US-Geheimdienste drängen seit Jahren darauf, dass sie zumindest Hintertüren benötigen.

Aufsehen erregte Clappers Eingehen auf das Internet der Dinge. Die Ausbreitung all der smarten Geräte in den heftig von den propagierten Smart Cities und durch die smarten Bürger, die sich, ihre Fahrzeuge und Wohnungen vernetzen, bringe zwar Gefahren für Datenschutz und -manipulation mit sich, sei aber erfreulich für die Geheimdienste, die mit all den Geräten, die den Alltag der Menschen fortlaufend bis ins kleinste Detail überwachen, an noch mehr Daten herankämen. Natürlich nur zur Abwehr drohender Gefahren, wozu zumindest die Geheimdienste, die die Abschattung vorziehen, die vollkommene Aufklärung begehren. Aus der Künstlichen Intelligenz sieht der Geheimdienstchef dagegen eher Probleme.

Bislang weitgehend übersehen wurde eine neue Kategorie von Massenvernichtungswaffen, die Clapper einführte. Bislang galten als Massenvernichtungswaffen nukleare, chemische und biologische Waffen, so genannten "schmutzige Bomben" eingeschlossen. Biologische Waffen spielen in dem Bericht keine weitere Rolle, aber es wird dem Assad-Regime vorgeworfen nicht alle chemische Waffen vernichtet und weitere Angriffe gegen die Opposition ausgeführt zu haben. Vermutet wird, dass auch der IS chemische Waffen eingesetzt hat.

Aber dann ist da noch die neue Massenvernichtungswaffe des Gene Editing, also der gezielten Eingriffe in die Gene und die Keimbahn. Mit Verfahren wie CRISPR-Cas können präzise einzelne Gene aus dem Genom ausgeschnitten, verändert oder eingefügt werden. Letztlich könnte man, so die Fantasien, alle schädlichen Gene aus dem Genom auch für die Nachfahren entfernen oder korrigieren sowie insgesamt das Genom optimieren. Chinesische Wissenschaftler haben damit bereits 2015 nan menschlichen Embryonen experimentiert. Vor kurzem wurde die Forschung mit Gene Editing an menschlichen Embryonen in Großbritannien offiziell genehmigt.

Gene Editing hat wegen des präzisen Eingriffs mit den Nuklease-Scheren gewaltige Vorteile gegenüber des bislang vorhandenen Methoden der Genveränderung, bei denen etwa mit Bakterien als Vektoren Gene ungezielt eingeschleust wurden, aber nicht gesteuert werden konnte, ob und vor allem wo die Gene eingebaut werden. 2013 wurde die Methode an Organismen ausprobiert. Sie könnte auch dazu dienen, neue oder veränderte "egoistische" Gene in eine Population einzuführen, die dann durch "Gene Drive" die ganze Population in eine gewünschte Richtung verändern ("Gene drive" - ein Eingriff in das Erbgut frei lebender Organismen). Damit ließen sich nicht nur Schädlinge für die Landwirtschaft, Resistenzen für Antibiotika, Herbizide und Pestizide oder auch Überträger von Infektionskrankheiten wie Mücken verändern bzw. ausschalten, sondern auch gefährliche Organismen beispielsweise für bestimmte Ethnien verbreiten.

Die US-Geheimdienste warnen mit einem seltsamen Spin, dass von den "westlichen Länder" davon keine Gefahren ausgingen, wohl aber von Ländern mit "anderen Regeln und ethischen Maßstäben", als ob die "alten" Massenvernichtungswaffen nicht von den westlichen Ländern entwickelt und auch eingesetzt wurden, nicht zuletzt von den USA selbst, die weiterhin das einzige Land sind, das eher aus demonstrativen Gründen, denn aus Notwehr Atomwaffen verwendet hat, um von Napalm nicht zu sprechen.

Die Geheimdienste gehen davon aus, dass die Wissenschaftler trotz der Warnungen aus dem Wissenschaftslager über die unvorhersehbaren Folgen eines Eingriffs in die Keimbahn mit der Forschung fortfahren werden, weil die anderen genverändernden Methoden schlicht technisch begrenzt sind: "Geht man von der weiten Verbreitung, den geringen Kosten und der beschleunigten Entwicklung dieser Dual-use-Technik aus kann ihr beabsichtigter oder unbeabsichtigter Missbrauch zu weitreichenden Folgen für die Wirtschaft und die nationale Sicherheit führen." Über die konkreten Gefahren schweigt der Bericht jedoch. Womöglich wird Näheres in dem geheimen Bericht der Geheimdienste ausgeführt. Clapper geht in seinen Ausführungen überhaupt nicht darauf ein. Man könnte sich vorstellen, dass sich Killermücken schaffen ließen, die in bestimmten Gegenden Krankheiten verbreiten, oder Schädlinge, die Ernten vernichten. Allerdings haben viele Staaten das Biowaffenabkommen ratifiziert, die USA haben aber 2001 verhindert, Verifikationsmechanismen einzuführen (USA lehnen Zusatzprotokoll zur Biowaffenkonvention ab).

Geheimdienste sollen den Staat vor drohenden Gefahren schützen. Dazu sollen sie auch mit mitunter illegalen Mitteln Informationen beschaffen oder Informanten gewinnen. Oft bilden Geheimdienste, weil sie eben auch in einem Rechtsstaat der parlamentarischen, vor allem aber der öffentlichen Kontrolle entzogen sind, eine Parallelgesellschaft, die auch am eigenen Überleben interessiert ist, zumal wenn es sich um derart aufgeblähte Strukturen wie die Vielzahl der US-Geheimdienste mit mehr als 100.000 Angestellten handelt. Relativ wurde seit den 1980er Jahren mehr Geld in die Geheimdienste als ins US-Militär gesteckt.

Abgesehen von den offiziellen Geldern, die in die Geheimdienste fließen, gibt es schwarze Kassen. Für das Haushaltsjahr 2017 wurden so für das National Intelligence Program (NIP) schlappe 50,3 Milliarden US-Dollar gefordert, für das Military Intelligence Program (MIP) 16,8 Milliarden. Das entspricht etwa dem, was den Geheimdienststrukturen 2015 zukam: nämlich 50.3 bzw. 16.5 Milliarden. Bekräftigt wurde auch vom Weißen Haus für das Haushaltsjahr 2017 die Kernaufgaben des NIP:

Protects the IC’s core mission areas and maintains global coverage to remain vigilant against emerging threats. The IC continues to focus on penetrating and analyzing the most high-interest and difficult targets around the world. In addition, it has also continued to provide global coverage to keep watch for new threats - whether political, economic, or military - and guard against intelligence surprise.

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